Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Tatsache, morgen wieder auf dem Anwesen von Michael zu sein.
***
Obwohl ich an meinem zweiten Arbeitstag niemanden von der Familie sah, war ich weit davon entfernt, enttäuscht zu sein. Im Gegenteil – ich war froh um die Zeit, diese so eigene Atmosphäre ungestört auf mich wirken lassen zu können.
Es war schön, hier zu sein. Das gesamte Anwesen war durchtränkt von etwas, das nicht greifbar war, was aber in allen Räumen schwang. Wie Sonne ein Haus durchflutet, schien alles von Michaels Wesen und seinem Gesang durchströmt zu sein. Es lag eine Art Sehnsucht in der Luft. Die so liebevoll gestaltete Parkanlage tat ihr Übriges dazu: Der Teich, die alten Bäume, die Schlupfwinkel und Lauben, vor allem aber die vielen, kleinen Figuren riefen das vergessene Staunen der Kindheit in mir wach, als mich noch Märchen verzückten und wir Kinder stundenlang in unserer Träumerei schwelgen konnten, in der die Grenzen zwischen der Phantasiewelt und der als real anerkannten nahtlos ineinander übergingen. Es war ein sonderbares Gefühl für mich, eine fast bittersüße Regung, zwischen Vernunft und Ausbruch, zwischen kindlichem Ausgelassensein und Beherrschung.
Linda ließ mich an diesem Tag Snacks für die Familie vorbereiten und ging mit mir die Planung für die nächsten Wochen durch. Dann legte sie mir ein fünfseitiges, engbeschriebenes Schriftstück über die einzuhaltende Diskretion auf den Tisch und sagte mir, sie lasse mir nun eine Stunde Zeit, um das alles durchzulesen.
„Wenn Sie das unterschrieben haben, können wir weitermachen“, erklärte sie.
Ohne zu zögern blätterte ich zur letzten Seite und setzte meinen Servus drunter. Linda sah mich mit leichtem Stirnrunzeln an.
„Ich möchte, dass Sie das lesen“, insistierte sie.
„Das werde ich auch. Aber Sie sollen wissen, dass...“
Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. „Chirelle, Sie lesen das jetzt. Und lesen Sie es genau. Danach werden Sie einiges mehr verstehen.“
Damit ließ sie mich allein. Etwas eingeschüchtert machte ich mich an die Arbeit und als ich die Seiten zu Ende gelesen hatte, war mir fast schlecht. An der Fülle der Paragraphen konnte ich erkennen, mit welchen Schwierigkeiten ein Celebrity zu kämpfen hatte und wie schwer es war, so etwas wie eine Privatsphäre aufrecht zu erhalten. Mit welchen Methoden wurde da draußen gearbeitet, nur um an Informationen über Promis zu kommen?
Mit diesen Gedanken im Kopf lernte ich den Rest des Personals kennen. Da gab es die zwei Köche, die Security, etliche Hausmädchen und Reinigungskräfte. Jede von ihnen hatte einen eigenen Arbeitsbereich von ein paar Zimmern und es war nicht gestattet, sich in anderen Zimmern aufzuhalten. Es gab außer Linda kaum jemanden, der sich frei im Haus bewegen durfte.
Der Vize- Sicherheitschef, Jason, ließ meine Hand lange nicht los und sah mich so scharf an, als ob seine Augen ein Röntgengerät wären. Es wurde ein Foto von mir gemacht, das die Wachen bekamen, damit ich komplikationslos ein und aus konnte, außerdem lernte ich diverse Chauffeure und den alten Gärtner Greg kennen. Auch Greg hielt meine Hand lange in der seinen und sah mich intensiv an. Er hatte schöne, graue Augen in einem runzligen Gesicht, dessen Geschichte ich überaus gerne erfahren hätte. Sein Blick war beruhigend und tief und ich war sehr froh, als seine Ruhe mich erfasste und ich etwas runterfahren konnte.
Und dann war da noch Grace, das Kindermädchen, doch bezogen auf den Umfang ihrer Tätigkeiten war das ganz sicher nicht die richtige Bezeichnung für sie. Sie kümmerte sich um alles rund um die Familie, von den Hauslehrern angefangen bis über Stunden - und sonstige Pläne bis hin zu Flugreisen und Michael selbst. Im Prinzip war sie so etwas wie Michaels Managerin.
Grace war eine energische Frau, sie wirkte liebevoll konsequent, mütterlich und sexy zugleich. Sie kümmerte sich rührend um die Kinder, sie war ihre Mama und benahm sich auch so. In den Tagen und Wochen, die ich in Michaels Haus verbrachte, hörte ich oft ihre und Michaels Stimme aus dem Frühstücksraum schallen, wenn sie sich über Erziehungsmethoden stritten und das hörte sich alles so furchtbar normal an, dass es mir schon wieder komisch vorkam: Als ob Jackson, weil er ein Star war, andere Kindersorgen haben müsste als ein normaler Vater, der von neun bis fünf auf die Arbeit ging.
Aber er war ein normaler Vater. Doch - nein, das stimmte nicht ganz, denn die liebevolle Aufmerksamkeit, die er seinen Kindern
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