TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
Stunden angestrengter Arbeit hatten sie es geschafft. Die Marspflanze wurde vorsichtig aus dem Sand gezogen, auf das flache Verdeck des Wagens gelegt und mit einem breiten Riemen festgebunden, auf eine Weise, daß weder der Stiel noch die sorgsam hingebetteten Wurzeln beschädigt wurden. Auf dem Raumschiff sollte die kostbare Fracht im Kühlraum die Reise zur Erde antreten, um dort in den Laboratorien eines botanischen Instituts einer gründlichen Untersuchung unterzogen zu werden.
Der Geländewagen jagte wieder im alten Tempo der Spur vom Vortag nach.
Plötzlich, in etwa fünfzig Meter Entfernung war ein riesiges Tier aus dem Gesträuch auf den Weg gesprungen. Kaum hatten sie sein silbriges Fell und die lange, einem Krokodilsrachen ähnelnde Schnauze erkennen können, da duckte sich das Tier angesichts des rasch näher kommenden Geländewagens zu Boden und verschwand mit einem gigantischen Sprung wieder im Gebüsch.
Kamow trat in voller Fahrt auf die Bremse der rechten Gleiskette. Mit einer scharfen Wendung schoß der Wagen, die Sträucher unter sich zermalmend, ins Gebüsch hinein und nahm die Jagd auf.
»Setzen Sie die Maske auf!« rief Kamow erregt. »Halten Sie den Apparat bereit! Wir müssen es um jeden Preis fotografieren!«
Er bremste den Wagen so scharf, daß Melnikow mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe stieß.
Zwanzig Meter von ihnen entfernt lag das verfolgte Tier an einem See, an den Boden geschmiegt. Es konnte nicht weiter, das Wasser versperrte ihm den Weg.
Melnikow drehte die Kamerakurbel. Kamow setzte ihm und sich selbst rasch die Sauerstoffmasken auf.
Sekundenlang verharrte das Tier regungslos. Dann sperrte es den riesigen Rachen weit und drohend auf und entblößte mehrere Reihen spitzer, dreieckiger Zähne. Vom Kopf bis zur Spitze seines zottigen Schwanzes war das Tier drei bis dreieinhalb Meter lang. Den Leib, der nicht dicker war als der eines Krokodils, stützten drei Paar Beine; die beiden dicht beieinanderstehenden vorderen Paare waren kurz und mit scharfen Krallen versehen, die Hinterbeine dagegen lang und eingeknickt wie bei einer Heuschrecke. Offensichtlich hatte das Tier es ihnen zu verdanken, daß es so gewaltige Sprünge vollführen konnte. Das Tier richtete seine runden, graugrünen Augen mit den schmalen Katzenpupillen auf den Geländewagen und sprang plötzlich, die Hinterbeine kraftvoll streckend, aus zwölf Meter Entfernung auf ihn zu.
Der Überfall kam so unerwartet, daß Melnikow zurückprallte. Kamow ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Während das Tier sprang, gab er Gas, und der Wagen schoß vorwärts, mit einer Wendung nach rechts dem See ausweichend. Das Tier flog über ihn hinaus in den Sand. Durch den Mißerfolg ergrimmt, drehte es sich blitzschnell um und sprang zum zweiten Male. Diesmal erreichte es sein Ziel. Der Geländewagen erbebte unter dem Anprall. Kamow stellte den Motor ab.
Das Tier war auf dem Dach, und seine Krallen – vielleicht waren es auch seine Zähne – kratzten am Metall. Zerdrückt und verstümmelt fiel die so mühevoll erstandene Pflanze in den Sand.
»Bereit halten!« befahl Kamow.
Melnikow legte den Filmapparat beiseite und griff nach dem Gewehr.
Der Wagen fuhr langsam an, aber das Tier blieb auf dem Verdeck. Vielleicht war es über diese ihm bisher unbekannte Art der Fortbewegung erschrocken. Sein Schwanz hing herab und streifte mit der Spitze den Boden. Das Kratzen am Metall hörte auf.
»Wir müssen es zum Abspringen bringen«, sagte Kamow. Er drückte auf den Hupknopf. Ein heulender Ton zerriß die Stille der Einöde. Das Tier in seinem Entsetzen wollte herunterspringen, rutschte aber mit seinen Krallen an dem glatten Metall ab und stürzte unmittelbar vor den Gleisketten rücklings zu Boden. Einen kurzen Augenblick lang hatte Melnikow das helle Bauchfell und die sechs Pfoten, die hilflos in der Luft zappelten, dicht vor Augen, dann krümmte sich das Tier, warf sich herum und stob mit Zehnmetersprüngen davon.
Kamow erhöhte das Tempo, und der Wagen holte den Flüchtling, der dem ununterbrochenen, noch nie vernommenen Hupengeheul zu entrinnen suchte, rasch ein. Kamow öffnete das vordere Fenster.
»Schießen Sie nur, wenn Sie sich Ihrer Sache sicher sind«, sagte er. »Versuchen Sie den Kopf zu treffen.«
Melnikow verfolgte aufmerksam jede Bewegung des Tieres, aber dessen ruckartige Sprünge machten es ihm unmöglich, genau zu zielen. »So wird’s nichts«, meinte er.
»Irgendwann muß er ja mal ermüden«,
Weitere Kostenlose Bücher