TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
wies, riß dann den Revolver hoch und schoß. »Es ist nichts, wie Sie sehen«, sagte er. »Bewahren Sie nur ruhig Blut, obwohl es hier wirklich unheimlich ist.«
Der Knall des Schusses hatte auf Melnikow beruhigend gewirkt, er schämte sich seines Kleinmuts, steckte den Revolver in den Gürtel seines Overalls und begann Kamow zu helfen. Zu zweit schleppten sie dieWinde aus dem Geländewagen, stellten sie auf und schlossen den Motor mit Hilfe von Gummikabeln an den Akkumulator des Wagens an. Kamow nahm eine Eisenstange mit zugespitztem Ende und ging, den Sandboden abtastend, langsam vorwärts. Der Boden schwankte. »Das ist kein gewöhnlicher Sumpf wie auf der Erde«, meinte er, »das ist etwas anderes.« Er hatte erst fünf oder sechs Schritte getan, als die Stange plötzlich seiner Hand entglitt und im Sand verschwand. Kamow blieb wie angewurzelt stehen.
»Man möchte beinahe glauben, daß unter der Sandschicht Wasser ist«, sagte er, »aber auf Wasser kann sich Sand nicht halten. Unser Glück, daß wir gestern nicht an diese Stelle geraten sind. Der Wagen hätte genauso versinken können wie die Stange.« Er trat einen Schritt zurück. »Prüfen wir mal, wie tief es hier ist.«
Melnikow holte aus dem Wagen einen langen, spitzen Eisenstab, der mehrere durchgehende Löcher aufwies. An dem Stab war ein Drahtseil befestigt. Vorsichtig setzten sie ihn an der Stelle auf, wo vorhin die Stange verschwunden war, und ließen ihn los. Der Stab versank ebenfalls im Nu. Das Seil, das sich von einer Trommel abwickelte, glitt über den Sand und verschwand in dem Abgrund. Die Schnelligkeit, mit der es sich abwärts bewegte, zeigte eindeutig, daß der Stab auf keinerlei Hindernis stieß. Das Seil zwischen der Winde und der Meßstelle grub sich immer tiefer in den Sand ein; um es weiter verfolgen zu können, traten Kamow und Melnikow zur Winde zurück, die neben dem Geländewagen stand. Nach einer Minute hatte sich das tausend Meter lange Seil vollständig abgerollt und spannte sich fast senkrecht nach unten.
»Ein wirklich bodenloser Abgrund«, sagte Kamow. Er schaltete den Motor ein, die Trommel drehte sich nun andersherum und spulte das Seil wieder auf. In den Löchern des Eisenstabes fand sich der gleiche Sand wie an der Oberfläche.
»Sie können sich in den ersten Sekunden gefüllt haben«, meinte Kamow. »Wir haben noch nicht den Beweis dafür, daß die Sandschicht tausend Meter hinunterreicht. Aber der Stab ist völlig trocken. Demnach gibt es unter der oberen Schicht kein Wasser. Warum ist er aber frei gefallen? Versuchen wir es noch mal mit einem längeren Seil.«
Der Versuch wurde wiederholt. In tausenddreihundertzwanzig Meter Tiefe stand der Stab still. Als man ihn wieder hochzog, fand man in den Löchern den gleichen Sand.
Kamow setzte sich auf dem Funkwege mit Belopolski in Verbindung und erstattete ihm Bericht. »Probieren Sie es doch an anderen Stellen«, riet Belopolski.
Der »Sumpf« umfaßte eine Fläche von etwa einem Hektar. Noch drei Stunden lang maßen Kamow und Melnikow die Tiefe, wobei sie das »Ufer« entlanggingen, ohne jedoch einen Versuch von der Mitte aus zu riskieren. Das Ergebnis war überall das gleiche. Allem Anschein nach gab es an dieser Stelle unter der Marsoberfläche einen tiefenSchacht, angefüllt mit Sand, der aus unbekannten Gründen keine große Dichte aufwies. Die Tiefenmessung mit Hilfe eines Echolots ergab dasselbe Resultat: tausenddreihundertzwanzig Meter. Der zutage geförderte Sand wurde fürsorglich in Blechbüchsen verwahrt.
»Mit den Geräten, die wir besitzen«, sagte Kamow, »können wir nicht mehr tun. Dieses Rätsel werden spätere Expeditionen lösen.«
Sie wollten eine der auf dem »Sumpf« wachsenden Pflanzen mitnehmen, die etwas höher waren als die neben dem Raumschiff und auch von anderer Struktur sein konnten. Wider Erwarten erwies sich das als ein schwieriges Unterfangen. Kamow tastete den Boden um die ausgewählte Pflanze ab; als er sich überzeugt hatte, daß man hier nicht Gefahr lief zu versinken, begann er die Wurzeln freizulegen. Melnikow stand Wache und beobachtete das Gelände. Mehrere Male wechselten sie sich ab. Die Gewächse hatten unzählige, ineinander verflochtene Wurzeln, was die Arbeit sehr erschwerte. Melnikow schlug vor, die Pflanze mit Hilfe der Winde loszureißen, aber Kamow lehnte das entschieden ab. »Wir müssen sie in unversehrtem Zustand auf die Erde bringen«, erklärte er. »Die Winde könnte die Wurzeln abreißen.«
Nach zwei
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