TS 06: Das andere Universum
Dunkelheit nahe war und er eine Unterkunft finden mußte.
Endlich entdeckte er auf der Achten Avenue in der Nähe der Vierzigsten Straße ein billiges kleines Hotel, in dem er für hundertzwanzig Kredite im voraus ein Zimmer für eine Woche mietete. Er ließ Koffer und Magazine in dem Raum, ging in einem preiswerten Restaurant essen und kehrte dann zurück.
Er nahm sich eins der Magazine vor. Jetzt mußte er seinen Plan auf seine Möglichkeiten prüfen. Lange Zeit jedoch war es ihm unmöglich, sich zu konzentrieren. Betty Hadleys Gesicht mit seiner Fülle goldenen Haares, der cremefarbenen Haut und den roten Lippen, die zum Küssen lockten, stand im Wege. Hätte er nur den Befehl der Kugel befolgt und wäre dem Wagen nicht gefolgt, dann wäre ihm das erspart geblieben. Gerade jetzt mußte er klarer überlegen als je zuvor – und das in einer solchen Laune.
Lange Zeit vermochte er Betty nicht aus seinen Gedanken zu verbannen. Immer stand ihm die Hoffnungslosigkeit seiner Wünsche vor Augen.
Schließlich aber begann ihn seine Lektüre doch zu interessieren, und langsam stellte er fest, daß sein Plan ausführbar war.
Er könnte sich sein Brot als Schriftsteller für einige dieser Magazine verdienen. Fünf Jahre zuvor, ehe er bei Borden gelandet war, hatte Keith sich schon einmal auf dieses Gebiet gewagt. Etwa die Hälfte seiner Geschichten hatte er verkauft, und für einen Autor wie ihn, der nicht zu profiliert schrieb und Schwierigkeiten bei der Durchführung einer Idee hatte, war das nicht allzu gut. Außerdem waren ihm seine Stories nie in den Schoß gefallen; er hatte sie mühsam ausbrüten müssen und deshalb auch sofort zugegriffen, als sich ihm die Chance bot, Editor zu werden.
Jetzt aber, nachdem er fünf Jahre in diesem Beruf hinter sich gebracht hatte, glaubte er, bessere Sachen als damals schreiben zu können. Er kannte jetzt seine Fehler – Faulheit war einer von ihnen, und die läßt sich kurieren.
Außerdem hatte er jetzt Ideen in Hülle und Fülle – die Handlung jeder unverkauften Geschichte, an die er sich erinnern konnte. Er las Magazin auf Magazin durch, während sich draußen Dunkelheit herniedersenkte und die Schwärze der Vernebelung gegen das Fenster drückte. Dabei wurde ihm klar, daß er seine Erzählungen nicht in eine Umgebung stellen durfte, mit der er nicht vertraut war – nämlich in die Gegenwart. Zwangsläufig würden ihm dabei handfeste Schnitzer unterlaufen und ihn verraten.
Andererseits wußte er aus Well’s Grundriß der Weltgeschichte, daß die Entwicklung hier bis zur Erfindung der Raumfahrt parallel zu der seines eigenen Universums verlief. Mit jeder Story, die vorher spielte, würde er sich also auf sicherem Grund bewegen, und glücklicherweise hatte er auf dem College unter anderem Geschichte studiert und war mit dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert – besonders in Amerika – vertraut.
Mit Befriedigung nahm er wahr, daß eine gute Anzahl historischer Erzählungen in den Heften enthalten war. Vielleicht erfreute sich die Vergangenheit deshalb so großer Popularität, weil hier ein scharfer Bruch zwischen ihr und der Gegenwart sichtbar war. Surprising Stories allerdings brachte nur moderne Raumabenteuer, aber um das auszugleichen, veröffentlichte Borden ein zweites Abenteuermagazin, Romantic Adventure Stories, in dem Geschichten aus Bürgerkriegen und Revolutionszeiten dominierten. Es wurde ebenfalls von Keith Winton herausgegeben.
Selbst ein Großteil der Liebesgeschichten spielte vor historischem Hintergrund, womit er nicht gerechnet hatte. Außerdem blieb ihm natürlich noch Science Fiction. Er studierte drei Magazine dieser Art und kam zu dem Ergebnis, daß er sich unbesorgt auf das Gebiet wagen durfte. Die Magazine beschrieben Erlebnisse in weiten und unerforschten Galaxien, brachten Erzählungen aus ferner Zukunft oder geheimnisumwitterter, mythischer Vergangenheit, Werke, die sich mit Zeitreisen und unerforschten Geisteskräften befaßten, ferner reine Phantasien vom Werwolf-Vampir-Typ vor historischem Hintergrund.
Um zehn Uhr klappte er das letzte Heft zu und beschäftigte sich dann bis Mitternacht damit, Notizen über Geschichten niederzuschreiben, die ihm gerade einfielen und von denen er wußte, daß er sie nicht verkauft hatte. Zwanzig Stories konnte er sich ins Gedächtnis zurückrufen, von denen sechs historische Abenteuer oder Romanzen waren; sechs weitere ließen sich verhältnismäßig schnell zu phantastischen oder historischen
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