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TS 21: Die Überlebenden

TS 21: Die Überlebenden

Titel: TS 21: Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. McIntosh
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müssen, aber ihre Neugier überwand ihre Abneigung.
    „Wie wäre es, wenn Sie mir Ihre Lebensgeschichte erzählten“, schlug ich vor, als wir langsam durch die menschenleeren Straßen wanderten.
    „Wozu nur?“ wunderte sie sich.
    „Ich möchte wissen, warum Sie so geworden sind, Ginette“, lachte ich.
    „Wie?“ erkundigte sie sich mißtrauisch.
    „Nun – eben so. Sie wissen schon genau, was ich meine.“
    „Warum verschwenden Sie eigentlich immer Ihre Zeit mit unnötigen Dingen, Mr. Page-Turner?“
    „Tun das nicht viele Menschen? Sie nennen es Geselligkeit.“
    „Bin ich nicht gesellig?“
    Ich mußte laut auflachen.
    „Ja, um Gottes willen, Ginette! In Ihren kühnsten Träumen können Sie doch nicht von sich selbst annehmen, ein besonders angenehmer Gesellschafter zu sein.“
    Sie nickte.
    „Ich glaube, Sie haben recht“, gab sie einfach zu.
    Vielleicht war es besser, anders vorzugehen.
    „Was halten Sie von Dave?“ erkundigte ich mich harmlos.
    „Oh – der ist in Ordnung.“ Sie sagte es ohne Begeisterung.
    Gerne hätte ich sie gefragt, ob es überhaupt einen Menschen auf der Erde gäbe, den sie gern hätte, aber ich besann mich eines besseren. Vorsichtig nahm ich ihre linke Hand und schob sie in meinen rechten Arm. Sie protestierte nicht.
    Ich war zu der Überzeugung gelangt, daß Ginette nur wenig oder gar keine Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht besaß. Kein Wunder, wenn sie sich immer so verhielt wie zu mir. Nur jemand, der so hartnäckig wie ich vorging, konnte mit einem eventuellen Erfolg rechnen. Es fragte sich nur: war er die Mühe wert?

 
9. Kapitel
     
    Nachdem mein Wagen in der Garage von Daves Freund stand und ich davon überzeugt worden war, daß ihm hier keine Gefahr drohte, war ich beruhigt. Die Paggets waren noch nicht so weit fortgeschritten wie in Amerika.
    Pa-Hunde und Pa-Katzen gab es innerhalb von London so gut wie keine. Sie hielten sich zwar in den Vororten auf und drangen nachts ein wenig tiefer in die Außenbezirke ein, aber tagsüber wären sie in der Stadt verloren gewesen. Jedes Tier, das man sah, wurde erbarmungslos getötet.
    Ratten und Mäuse jedoch überschwemmten die Stadt. Elektrizität gab es praktisch nicht mehr, ebenso kaum noch heile Telefonleitungen. Lebensmittel mußten in Metallbehältern aufbewahrt werden. Trinkwasserreserven wurden knapp, denn besonders die Ratten hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Reservoirs zu verschmutzen.
    Liverage, so hieß der Freund von Dave, besaß kein Auto mehr. Bei einer Fahrt in die Stadt hatten die Ratten es unbrauchbar gemacht. Und mit den Reparaturen war es in London wie überall. Ein Fahrzeug war nur sicher, solange es sich in Fahrt befand. Einmal geparkt, konnte man es abschreiben.
    Ginette und ich wanderten immer noch durch die leere Stadt.
    Die Straßenbeleuchtung funktionierte natürlich nicht, aber der wolkenlose Himmel ermöglichte es dem Vollmond, sie voll und ganz zu ersetzen. Mir wenigstens schien es hell genug. Überall parkten nutzlose Autos, die in normalen Zeiten im Verlauf einer halben Stunde repariert werden konnten, heute jedoch nutzlos waren.
    „Wir müssen darauf achten, daß uns das nicht auch passiert“, eröffnete ich erneut unser Gespräch. „In der Garage ist der Wagen sicher, wie ich mich überzeugte.“
    „Notfalls gehen wir zu Fuß“, schlug sie vor.
    „Notfalls“, stimmte ich ruhig zu. „Von hier bis Cambridge sind es anderthalb Stunden mit dem Auto. Zu Fuß also etwa zwei Tage.“
    Das schien sie zu beeindrucken. Schweigend gingen wir weiter.
    Ganz unvermittelt fragte ich sie:
    „Ginette, sind Sie verheiratet?“
    „Nein“, kam die lakonische Antwort.
    „Werden Sie eines Tages heiraten?“
    „Warum nicht?“
    „Was hielten Sie von mir?“
    „Soll das etwa ein Antrag sein?“
    „Nicht gerade. Aber ich meine damit, Sie tun ganz so, als hätte ich Lepra oder so was Ähnliches.“
    Sie schwieg.
    „Was gefällt Ihnen nicht an mir?“ drang ich in sie.
    Erst nach einer ganzen Weile antwortete sie:
    „Ihre Frau starb erst gestern vormittag – Sie tun ganz so, als sei sie bereits seit fünf Jahren tot.“
    Das traf mich hart. Seit zwei Tagen dachte ich an nichts anderes als an Gloria und das Problem, sie vergessen zu können.
    „Ich habe immer geglaubt“, sagte ich, so ruhig es mir möglich war, „daß Sie ein wenig Verständnis für meine Lage hätten. Daß Sie jedoch außer Unnahbarkeit auch noch die Gabe der Unfreundlichkeit besitzen

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