TS 21: Die Überlebenden
…“
„Unfreundlich? Warum …?“
„Das werde ich nicht diskutieren!“ warf ich ein. „Wenn Ihnen absolut nichts an mir liegt, dann finden Sie doch allein Ihren Weg. Ich werde Sie nicht mehr zu halten versuchen. Ehrlich, ich habe daran gedacht, immer mit Ihnen zusammenzubleiben, vielleicht mich mit Ihnen zusammen irgendwo niederzulassen. Aber jetzt? Nein, ich bedanke mich.“
„Das wollte ich doch schon immer – meinen Weg allein machen. Aber Sie sträubten sich mit aller Macht dagegen.“
„Ja, bis eben. Jetzt sind wir einer Meinung.“
Ganz urplötzlich ging sie in die Defensive.
„Wenn Sie wirklich um Ihre Frau trauerten, so haben Sie das niemals gezeigt.“
„Sie hätten gelacht, wenn Sie erfahren hätten, daß ich mich vergangene Nacht regelrecht in den Schlaf geweint habe. Sie wären der Meinung gewesen, ich wolle Ihnen etwas vormachen.“
„Und – tun Sie es denn nicht?“
„Ich sagte schon, ich will nicht mit Ihnen darüber sprechen.“
„Wenn Sie mir versichern, daß Ihnen der Tod Ihrer Frau leid tut, so glaube ich Ihnen.“
„Und warum? Eben schien es nicht so zu sein.“
„Vielleicht lernen Sie dazu – als Komödiant …“
Ich schlug kräftig zu und traf sie mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie taumelte und verlor fast das Gleichgewicht. In ihrer Stimme war Haß, als sie sagte:
„Danke! Das genügt mir endgültig.“
Und sie wollte davonlaufen. Aber ich hielt sie am Arm, fest.
„Warten Sie, Ginette. Morgen können Sie von mir aus machen, was Sie wollen. Aber heute nacht bleiben Sie noch bei uns.“
„Lassen Sie mich gehen!“
Sie erwartete kaum, daß ich es tun würde, daher konnte sie ihre Überraschung kaum verbergen, als ich sie wirklich losließ. Sie zögerte. Ich wußte, wenn sie jetzt ging, würde ich sie kaum lebend wiedersehen. Und ich wußte auch, daß ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen würde. Also beherrschte ich mich.
„Kommen Sie, Ginette. Und reden wir nicht mehr darüber.“
Sie nahm mich beim Wort. Schweigend und ohne uns zu berühren schritten wir den Weg zurück, den wir gekommen waren.
10. Kapitel
Ich betrachtete es als eine reine Ironie, daß Dave und sein Freund bei unserem Eintreten beschlossen, daß auf keinen Fall einer von uns allein schlafen sollte.
Niemand mehr in dieser Welt schlief allein. Wenn die Pa-Ratten einen solchen Fall erfuhren, fiel es ihnen nicht schwer, sich zu sammeln und einen Angriff vorzutragen. Und Daves Frau war nicht die einzige gewesen, die von den Ratten lebendig aufgefressen wurde.
Jemand, der allein wohnte, suchte sich einen vertrauenswürdigen Schlafpartner oder gesellte sich zu jenen, die ihre Nächte in den stillstehenden U-Bahnen verbrachten.
Liverage war nicht verheiratet. Meist schlief er in der Garage, die sich als sicherster Raum des Hauses erwiesen hatte. Unsere überraschende Ankunft ermöglichte es ihm, wieder einmal in seinem eigenen Hause schlafen zu können. Und so kam es, daß je zwei von uns in den beiden nebeneinander liegenden Zimmern Unterkunft finden sollten.
Ginette mußte sich entscheiden, ob sie mit einem von uns in einem Raum schlafen, oder zur nächsten Untergrundstation gehen wollte. Überraschenderweise entschloß sie sich für mein Zimmer.
Ginette und ich erhielten das gleiche Bett und es gab keinerlei Argumente deswegen. Zwar schlossen wir keinen Frieden miteinander, aber wir beharrten auch nicht auf unserem abgemachten Schweigen. Der Streit wurde aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Und als wir uns auszogen, kannte niemand falsche Scham. Im ersten Augenblick machte Ginette zwar den schwachen Versuch, sich meinen Blicken zu entziehen, aber als ich gar nicht auf sie achtete und mich selbst auszog, als befände ich mich allein im Zimmer, gab sie es auf.
Ohne mich weiter um sie zu kümmern, kletterte ich in das breite Bett und deckte mich zu.
Sie hing das Kleid über den Stuhl und behielt ihre Unterwäsche an. Ich dachte daran, ihren Verband zu erneuern, als ich die Kratzer auf ihrer Brust erblickte. Wieder tat es mir leid, sie geschlagen zu haben. Schließlich war sie seekrank gewesen und außerdem von einem Pa-Hund verletzt worden.
Doch viel Zeit blieb mir nicht, über Ginette nachzudenken, denn ich schlief schneller ein, als ich es mir wünschte. Nur unklar merkte ich noch, wie Ginette ebenfalls ins Bett stieg, dann versank alles um mich.
Wie ich also einschlief, weiß ich nicht mehr, wohl aber, wie ich wieder erwachte: abrupt und ziemlich rauh.
Ginette und
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