TS 21: Die Überlebenden
hinab auf die Straße, wo der Wagen stand. Inzwischen sagte Mil:
„Natürlich wollen wir heiraten. Warum denn nicht?“
„Als ob das entscheidend wäre! Ihr seid eine Frau, und er ein Mann. Na und? Genügt das nicht? Wißt ihr denn so nicht, was ihr zu tun habt?“
„Trotzdem wollen wir heiraten“, bestand Mil auf ihrem Verlangen.
„Dann sucht jemand, der die Zeremonie vornimmt. Ich habe kein Interesse mehr an dem Verzweiflungskampf einer verfluchten Menschheit.“
„Seltsamer Standpunkt für einen Geistlichen“, bemerkte ich.
„Es ist auch eine seltsame Welt, in der ich zu leben habe. Gott hat uns verlassen; warum, das weiß ich nicht. Vielleicht weil wir zu sündig lebten, vielleicht aber auch, weil es zu seinen Plänen gehört.“
„Sie sollten sich schämen!“ schrie Mil ihn an.
„Wieso? Bin ich an dem Unglück schuld?“
„Daran nicht, wohl aber verantwortlich dafür, wie Sie ihm begegnen.“
„Keine Diskussionen. Ich traue Sie nicht. Versuchen Sie es mit Peter Smith. Er hält weiter an den lächerlichen Zeremonien fest, die einstmals in einer anderen Welt Gültigkeit besaßen. Ich kümmere mich nicht mehr darum. Nun gehen Sie doch schon!“
Und wir gingen zu Peter Smith, einem noch jungen Mann, der verständnisvoll lächelte, als ihm die Bitte vorgetragen wurde.
„Gestatten Sie mir zuvor eine Frage“, meinte er nachsichtig. „Würden Sie auch geheiratet haben, wenn noch normale Umstände herrschten?“
„Natürlich nicht“, gab Mil offen zu. „Denn dann gäbe es keine Paggets und mein Mann lebte noch.“
„Sie kommen von Saxham?“
Er wußte schon einiges über uns und lobte unsere Zuversicht. Dann traute er Mil und Dave, die zum Wagen zurückgingen, während ich mich noch eine Weile mit diesem jungen und doch schon so klugen Mann unterhielt. Ich schilderte ihm unsere Lage und fragte ihn um seine Meinung. Er zögerte nicht, sie mir mitzuteilen.
„Töten ist niemals recht“, erklärte er langsam, „aber in Ihrem Fall bleibt Ihnen kaum eine andere Wahl. Wenn Sie Greetham angreifen, um das junge Mädchen zu befreien, so handeln Sie im Sinne Ihrer Gemeinschaft richtig, aber Gott kann und wird nicht auf Ihrer Seite sein. Trotzdem würde ich es nicht als eine Sünde bezeichnen.“
„Wollen Sie nicht mit uns nach Saxham kommen?“
Er schüttelte den Kopf.
„Fragen Sie nicht nach meinen Gründen, ich könnte sie nicht nennen. Aber ich fühle, man braucht mich hier noch mehr, als Sie in Saxham.“
Ich gab ihm die Hand und wir verabschiedeten uns.
Draußen ließen wir Jenny einsteigen, ebenso zwei Männer, die sofort mitkommen wollten. Den anderen sagten wir, sie sollten sich auf den Wag machen, wann immer sie wollten. Wir würden auf sie warten und sie seien stets willkommen. Auch rieten wir, den Marsch nach Saxham gemeinsam zu unternehmen.
Dann verließen wir Grantham, wo wir fast den ganzen Nachmittag verbracht hatten.
*
Fast zur gleichen Zeit mit uns traf auch die Gruppe mit Ginette in Saxham ein, die in Cottesmore gewesen war. Ebenso fanden wir Jake vor, der soeben von Greetham zurückgekehrt war.
Jenny wurde in das Krankenzimmer geschickt, während wir einen kurzen Kriegsrat abhielten. Zuerst sprach Jake.
„Sie haben das Mädchen Eva“, berichtete er.
„Und – lebt sie noch?“ fragte ich schnell. „Hast du sie gesehen?“
Seit der vergangenen Nacht duzten wir uns alle. Es gab nur eine einzige Ausnahme: Ginette und ich.
„Sie lebt, aber ich habe sie nicht selbst gesehen. Ich gelangte in ein Haus und … aber das ist unwichtig.“
„Was geschah mit ihr?“ wollte Mil wissen.
„Was habt ihr erwartet?“ entgegnete Jake.
Es dauerte eine ganze Weile, bis wir alles aus ihm herausgebracht hatten. Seine Hartnäckigkeit mochte wohl der Tatsache entspringen, daß er selbst unter ähnlichen Aspekten genauso gehandelt hätte wie die Messerwerfer. Unsere Entrüstung fand er, gelinde gesagt, reichlich überflüssig und nutzlos. Nun, er war Indianer, vielleicht erklärte das einiges, wenn auch nicht alles.
Immerhin, was Grimblo mit Eva anstellte, blieb unwichtig gegenüber der Tatsache, daß er nun alles über uns wußte, was auch Eva gewußt hatte. Er hielt sie in seinem Haus gefangen, und die Nachbarn härten das Mädchen schreien, bis Grimblo sie gepackt und rückwärts zusammengebogen hatte und drohte, beim nächsten Mal würde er ihr sämtliche Knochen brechen.
Von da an schwieg Eva.
Unser Entschluß wurde schnell und einstimmig gefaßt. Auf keinen
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