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TS 34: Sie starben auf Ragnarok

TS 34: Sie starben auf Ragnarok

Titel: TS 34: Sie starben auf Ragnarok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Godwin
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versteckt habe“, fügte er schnell hinzu.
    Lake starrte Bemmon an und wartete. Keiner sprach jetzt ein Wort. Das Schweigen wurde unerträglich, und Bemmon lief der Angstschweiß über das Gesicht. Dann rief er: „Wenn ich die Lebensmittel nicht genommen hätte, wären sie an sterbende Menschen verschwendet worden. Ich will es niemals mehr tun, das schwöre ich.“
    Lake ignorierte die Worte und wandte sich an Craig. „Sie und Barber bringen ihn zu dem Aussichtsstand.“
    „Was …“, protestierte Bemmon, aber schon wurde er von Craig und Barber ergriffen und weggeführt.
    „Anders, holen Sie einen Strick“, befahl Lake.
    Der Aussichtsstand lag sechshundert Fuß weit von den Höhlen entfernt. Ein einziger Baum stand dort, dessen verdorrte Zweige bizarr in den Himmel ragten. Craig und Barber, mit Bemmon in ihrer Mitte, warteten unter diesem Baum.
    Als Lake, Anders und Schroeder aus den Höhlen traten und auf den Baum zuschritten, wandte sich Bemmon an Barber: „Was ist los … weshalb brachten Sie mich hierher?“ Seine Stimme zitterte vor Furcht.
    Barber gab keine Antwort, und Bemmon blickte die auf ihn zuschreitenden Männer an. Er sah den Strick in Anders’ Hand und wurde leichenblaß.
    „Nein!“ schrie er.
    Er warf sich mit derartiger Kraft zurück, daß es ihm fast gelang, sich von Craig und Barber, die ihn fest gepackt hielten, loszureißen.
    Doch es gab kein Entrinnen für den Verräter. Schroeder trat hinzu, um Bemmon mit festzuhalten, während Lake die Vorbereitungen zur Exekution traf.
     
    In wenigen Augenblicken war alles vorbei – Bemmon hatte für sein Handeln gesühnt.
    Am nächsten Tag wurde Bemmon begraben.
    Julia erholte sich wieder von ihrer Verletzung, aber die Narbe auf ihrer Stirn würde sie wohl zeit ihres Lebens behalten. Anders, der sehr eng mit Dr. Chiara zusammengearbeitet hatte und nun versuchte, seinen Platz einzunehmen, beruhigte Julia und versicherte ihr, daß das neue Leben, das sie unter dem Herzen trug, noch viel zu jung war, als daß es bei dem schweren Sturz hätte Schaden nehmen können.
     
    *
     
    Als der erste Regen einsetzte, der das Ende des Sommers ankündigte, war die Schar der Untauglichen auf 340 Menschen zusammengeschrumpft. Die gelbe Sonne bewegte sich nach Süden zu, und die blaue Sonne wurde ständig kleiner. Das Gras begann wieder zu wachsen, und die Waldziegen kehrten zurück.
    Es gab wieder Fleisch und frische Kräuter. Dann tauchten die Tigerwölfe, die das Jagen gefährlich machten, auf.
    Kurz darauf erschienen auch die Einhörner.
    Die Jagdgruppen kehrten an dem Tag zurück, als der erste Sturm über das Plateau peitschte – der Sturm, der den langen, eisigen Winter ankündigte. So gut sie konnten, hatten sie alle für diese Zeit vorgesorgt. Holz war in großen Mengen herangeschafft und die Höhlen mit selbstgezimmerten Türen und einem Ventilationssystem versehen worden. Und sie hatten Fleisch – nicht so viel allerdings, wie sie zum Sattessen brauchen würden, aber doch genug, um einer Hungersnot zu entgehen.
     
    *
     
    Anders hatte kurz nach der Landung der Untauglichen auf Ragnarok einen Kalender angefertigt. Er hatte ihn nach den Angaben, die John Prentiss ihm gegeben hatte, zusammengestellt und die jeweils entsprechenden Daten irdischer Zeit darauf vermerkt.
    Nach diesem Kalender fiel Weihnachten auf die Mitte des Ragnarokschen Winters. Auch während der Festtage blieben die Lebensmittelrationen dieselben, aber kleine, mit selbstgefertigtem Schmuck dekorierte Bäume wurden für die Kinder aufgestellt.
    Am Heiligen Abend blies ein heftiger Schneesturm über das Plateau; ein weißer Tod, der da draußen donnerte und heulte und die Temperatur auf 65° unter Null sinken ließ. Aber in den Höhlen war es bei den angezündeten Feuern warm, und die Augen der Kinder strahlten froh, als sie die Spielzeuge sahen, die die Erwachsenen insgeheim gebastelt hatten.
    In jener Nacht wurde ein Kind geboren – Julias Kind. Sie rief nach ihrem Baby, bevor sie starb.
    „Ich habe mich nicht gefürchtet“, flüsterte Julia. „Aber ich wünschte, es wäre nicht so dunkel vor meinen Augen, und ich könnte mein Baby sehen, bevor ich sterben muß.“
    Sie legten ihr das Kind in die Arme, doch als Julia für immer die Augen geschlossen hatte, entfernten sie die Decke, die das Kind umschlossen hielt und der jungen Mutter verborgen hatte, daß es ein Totgeborenes war.
     
    *
     
    Als die ersten heftigen Frühlingsstürme über das Land brausten, war die Zahl der

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