TS 37: Tödliche Träume
Leibe. Es hatte keine sehr große Nahrung, denn dieses Haus gehörte natürlich zu den feuerfesten modernsten Ausführungen. Und so dauerte es nur wenige Minuten, bis die Flammen erstickt waren.
Gehetzt blickte Nord um sich. Seine Haare waren leicht versengt. Im flackernden Licht, das von der Straße hereinfiel, erkannte er, daß ein Fenster zertrümmert war. Durch dieses Loch mußten die Brandstifter die Fackel geschleudert haben.
„Beruhige dich, Marge!“ keuchte Nord. „Bleib nur ganz nahe bei mir. Dann kann dir nichts geschehen.“
Sie war völlig durcheinander. Ihr unterdrücktes Weinen erklang dicht bei seinem Ohr. „An“, schluchzte sie. „Brennt unser Haus – oder ist es in der Nachbarschaft?“
Er fand ihre Hand und hielt sie mit zitternden Fingern fest.
Draußen erklang ein Schrei. Sträucher raschelten, und jemand kam auf das Haus zu. Nords Gaumen war ausgetrocknet. In der Herzgegend und in der Kehle spürte er stechende Schmerzen. Er schleppte Margaret an das zertrümmerte Fenster und starrte hinaus in die von Flammen durchzuckte Nacht.
Ein Bild des Grauens hatte die Harmonie ihres Zeitalters abgelöst. Am Ende der Straße brannte ein Warenhaus. Aufgeschreckte Gestalten irrten durch die Dunkelheit. In der Ferne zuckte ein blauweißer Blitz auf. Dann folgte eine dumpfe, rollende Erschütterung. Irgend jemand hatte eine Midas-Pistole abgefeuert.
Das Lodern der Feuersbrunst brach sich am wolkenverhangenen Himmel. Rot erhellte der Reflex die nahen Straßen. Und Nord erkannte in der Gosse eine ausgestreckte Gestalt.
Margaret schrie auf, als sie den Toten sah.
Aus der Richtung der Blumenbeete war ein Schatten aufgetaucht. Er teilte sich in zwei.
„Nord! Sind Sie zu Hause?“ krächzte eine Stimme. Es war Melton Harms, der Mann mit den verbotenen Sensipsychaufnahmen.
„Allerdings“, antwortete Nord zögernd. „Was schleichen Sie hier herum, Harms? Wer ist noch bei Ihnen?“
Nords Frage erstickte in einem Hustenanfall. Sein Argwohn machte Harms wütend. „Sie verdammter Narr!“ schnappte er. „Ich schleiche nicht herum. Ich sah das Feuer in Ihrem Haus und wollte sehen, ob ich Ihnen helfen kann. Mir ist nämlich nicht mehr zu helfen. Vor einer Stunde sind sie bei mir eingebrochen, haben alles zertrümmert und mich zusammengeschlagen. Meine Frau haben sie umgebracht …“
Harms’ Stimme klang halb knurrend, halb schluchzend. Nord spürte einen Brechreiz. „Verzeihen Sie, Harms! Es tut mir leid … Zum Teufel, wer ist es gewesen? Kann man denn nichts…?“
„Wer?“ entgegnete Harms. „Ich glaube, Sie Einfaltspinsel schlafen immer noch. Worüber haben wir heute morgen gesprochen? Der verrückte Carpenter zum Beispiel! Ich wette, er ist einer von ihnen. Burschen mit schwarzen Schärpen vorm Gesicht. Meistens Halbstarke. Ein paar trugen den Namen Mathais an der Mütze. Sie sollten die Theorie ja kennen!“ Harms zitierte mit verkrampftem Sarkasmus: „Erwacht! Vergeßt die dem Untergang geweihte Ära der Schwächlinge! Helft euch selbst vor der Dekadenz! Werdet wieder stark und mächtig im Augenblick der Gefahr! Rettet das Schicksal der Rasse!’ Was? Einer von diesen Verrückten hat mir sogar eine Vorlesung darüber gehalten. Und weil ich nicht so schnell begreifen wollte, meinte er, für mich hätte das Leben sowieso keinen Sinn mehr.“
Noch vor wenigen Minuten hatte Nord sich mit aller Macht vom Sensipsych losgerissen. Jetzt sehnte er sich danach, glauben zu können, daß der Traum die Wirklichkeit sei und die Wirklichkeit nichts als ein Alpdruck. Er wollte zurück in die Berge der Zwielichtzone und den ewigen Sonnenuntergang des Merkur sehen. Er wollte eine Höhle finden und tief hineinkriechen.
Doch seine Empörung gegen das Schicksal war stärker als die Sucht nach Bequemlichkeit. Er ging zur Haustür und öffnete sie. Und er spürte Mitleid.
„Verzeihen Sie, Harms! Und bringen Sie Ihren Begleiter mit.“
„Es ist Mrs. Kovis“, sagte Harms, bevor Nord sie noch in dem unzureichenden Licht erkennen konnte. „Sie ist vollkommen fertig mit der Welt und vielleicht sogar ein bißchen verrückt geworden. Vom Opern-Star zu dem hier, das ist eine zu große Umstellung, fürchte ich. Ich fand sie auf der Straße. Sie sucht ihren Mann. Keiner weiß, wo er steckt. – Nord, was sollen wir bloß machen? Warum kommen die Polizei-Roboter nicht?“
„Woher soll ich das wissen?“ entgegnete Nord dumpf. Dann schien er plötzlich doch eine Meinung zu haben und erklärte übertrieben
Weitere Kostenlose Bücher