TS 37: Tödliche Träume
laut: „Was heute passiert ist, geschah zu Recht. Wir alle haben es kommen sehen. Wir hatten Zeit genug, uns darauf vorzubereiten. Aber wir waren zu gleichgültig und zu bequem. Heute haben wir unsere Quittung dafür. Mag sein, daß sich mancher dieser Mathais-Leute für einen Märtyrer hält, dessen Taten groß und gut sind …“
Er brach ab. Es war unsinnig, ausgerechnet jetzt so zu reden. Als er Harms half, die verwirrte Mrs. Kovis zu einem Stuhl zu führen, hörte er plötzlich wieder Margarets stoßweises Keuchen. Länger als eine Minute hatte sie wie betäubt dagestanden. Jetzt überkam sie ein lautes hysterisches Lachen, wobei sie mühsam nach Worten suchte. Von dem ersten Entsetzen schien sie sich erholt zu haben. Doch dadurch wurde sie keineswegs wieder die alte Margaret Nord, die immer etwas transusig und spröde gewesen war. Offenbar hatte der Schock die fixe Idee in ihr wachgerufen, daß sie jetzt einen Sündenbock für ihr Unglück brauche.
„Natürlich! Du verteidigst diese Kreaturen noch!“ zischte sie ihren Mann an. „Mir war immer schon klar, daß du im Grunde ein unzuverlässiger, hohler und einfältiger Kerl bist. Mein eigener Mann!“
„Marge!“ wehrte Nord ab und versuchte gütig zu sprechen. „Nein, Marge! Ich verteidige sie durchaus nicht.“
„Doch, doch, doch!“ kam ihr gellendes Schreien. „Rechthaberisch und neunmalklug hast du dich über unsere Schwächen in Geist und Körper beklagt. Du hast gesagt, wie es kommen würde. Und jetzt bist du stolz, daß du recht hattest. Du bist nicht besser als diese Verbrecher! Sieh dir unser Haus an! Aber es wird noch schlimmer kommen. Verstehst du, Anson Nord? Sie werden uns alle umbringen!“
Nord kämpfte um seine Selbstbeherrschung. Margaret mußte jetzt wie ein unvernünftiges Kind behandelt werden. Er schüttelte sie leicht an der Schulter.
„Bitte, Liebes! Sei doch vernünftig! Wir haben doch weiß Gott schon genug Sorgen.“
Doch für ihren Zustand genügten diese dürren Worte nicht. Sie schlug ihn ins Gesicht. Und er verlor die Fassung.
„Halt jetzt den Mund, du!“ schnappte er drohend. Und während er einen zweiten Schlag im Gesicht spürte, faßte er ihren Arm und drückte ihn zusammen wie im Schraubstock.
In dem Höllenlärm dieser Nacht erschien das Brummen eines schweren Wagens, der soeben vor dem Grundstück hielt, nahezu bedeutungslos. Doch der Klang der Hupe verriet Margaret Nord, daß es kein x-beliebiges Auto war.
„Vater!“ schrie sie. Sie riß sich von ihrem Manne los und rannte zur Tür, wo ihr Vater auftauchte. Charlie Jones war ein Riese, und durch die Bio-Behandlung wirkte er noch jung. Margaret floh in seine Arme. „Es ist schrecklich hier, Daddy! Und Anson ist genau so. Nimm mich weg von hier! Nimm mich mit! Hörst du?“
Nord stand da wie ein Baumstamm. Er wußte nicht, was er unter dieser Anklage zu seiner Rechtfertigung hätte tun oder sagen sollen. Immerhin war Margaret bis heute der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Und das sollte jetzt auf einmal nicht mehr stimmen?
Auch Charlie Jones hatte immer zu den friedlichen Menschen gehört. Jetzt sah es so aus, als wolle er mit Anson einen Boxkampf wagen. Dann allerdings kräuselte er nur die Lippen und flüchtete sich in die bequemere Ironie.
„Der Junge ist also ein Versager. Du wirst mir nicht mehr unter die Augen kommen, Nord, verstanden? Ich habe draußen bereits genug gehört. Margaret kommt mit, Bei mir ist sie sicher. Auch die Dame mag mitkommen, wenn sie möchte …“
Verwirrt folgte Nord ihnen bis zur Tür. Einmal noch sah Margaret zurück, und er glaubte in ihrem furchtsamen Blick noch ein Flackern des Nichtverstehens und der Liebe zu entdecken. Doch dann zerriß eine Stimme aus dem Autoradio diesen letzten vagen Eindruck.
„Achtung, an alle! Achtung, an alle! Die Robot-Polizei wird in Kürze wieder völlig Herr der Lage sein. Es besteht keine Gefahr mehr! Gehen Sie zurück an den Sensipsych! Achtung, an alle …!“
Niemand ahnte, daß es Dr. Schaeffers Stimme war.
Margaret nahm die Nachricht wie eine vollendete Wahrheit auf. Sie war naiv genug, alles zu glauben, was sie glauben wollte.
„Da hörst du es!“ schrie sie wütend zurück. „Du bist ein Narr, An! Warum hast du nicht gesagt, daß in ein paar Minuten wieder alles in Ordnung ist? Jetzt muß ich weg und kann in diesem Haus nie wieder träumen. Aber – ich will es auch gar nicht.“
Durch die Nacht rannten zwei schreiende Kinder. Das kleine Mädchen blutete an der
Weitere Kostenlose Bücher