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TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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Zentralband des interregionalen Boulevards bewegte sich, wie Egan-Egan wußte, seitdem er gelernt hatte, die Mikrobildfilme der Bibliothek zu lesen, mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern pro Stunde – im Gegensatz zu den Zentralbändern der übrigen Straßen und Boulevards, deren Geschwindigkeiten zwischen zwanzig und vierzig Kilometern pro Stunde lagen.
    Demnach würde Egan-Egan etwa eine Dreiviertelstunde brauchen, um sein Ziel zu erreichen. Aber eine Dreiviertelstunde auf einem breiten Zentralband in der Mitte eines kaum benutzten Boulevards war eine Zeit, die man nicht untätig verbringen sollte.
    Egan-Egan begann, sich die Dinge ins Gedächtnis zurückzurufen, die er in Kürze brauchen würde.
    Das Gebäude, in dem die vierte Kaste der Stadt N-ork lebte, besaß zwei Haupt- und eine nicht genau abschätzbare Zahl von Nebenausgängen. Die beiden Hauptausgänge lagen einander gegenüber an der nördlichen und südlichen Schmalseite des Gebäudes. Die direkte Verbindung zwischen den beiden Ausgängen war der interregionale Boulevard. Die Ausgänge lagen in der Höhe des siebenhundertfünfzigsten Stockwerkes, also in der Mitte des Gebäudes und damit rund fünfhundertundfünfzig Meter unter der Erdoberfläche. Für die Verbindung mit der Oberfläche sorgte an jedem Ausgang eine Serie von Last- und Personenaufzügen.
    So war die Situation gewesen, als die Nonexistentialisten den großen Klotz gebaut und die vierte Kaste darin einquartiert hatten. Es war anzunehmen, daß sich seitdem nichts geändert hatte; aber sicher war es keinesfalls. Tausende von ruhigen Jahren mochten selbst den herrlichsten Liftmechanismus verrosten lassen.
    Schon von den ersten Tagen an waren die beiden Hauptgänge nur zu gewissen Zeiten passierbar gewesen. Wer den Ausgang passieren wollte, bedurfte dazu der Erlaubnis des Koordinators 1 oder 20 – je nach dem, ob er an der nördlichen oder der südlichen Front hinaus wollte.
    Man hatte bald erkannt, daß der Posten eines Torwächters so wichtig war, daß den beiden Koordinatoren Nr. 1 und Nr. 20 besondere Vorrechte eingeräumt worden waren. Sie besaßen neben ihrem Amt als Koordinator noch einen Sitz im Obersten Rat und damit den zweithöchsten Beamtenrang in der Stadt.
    Der Koordinator 1 oder 20 befand darüber, ob der Antrag auf Passage gerechtfertigt war und schrieb einen Passierschein aus, der zu einer der vorgeschriebenen Zeiten – zehn Uhr, vierzehn Uhr, achtzehn Uhr und zweiundzwanzig Uhr, jeweils mit einer Toleranz von einer Viertelstunde – in den Kontrollschlitz des Pfortenmechanismus gesteckt werden mußte. Der Kontrollmechanismus begutachtete den Passierschein und öffnete, wenn er für gut befunden war, die verschiedenen Tore, die in ihrer Gesamtheit den Ausgang darstellten.
    Von da an war der Weg offen. Man konnte einen der Personenlifts benutzen und an die Oberfläche hinauffahren. – So war es jedenfalls vor Jahrtausenden gewesen.
    Über die Nebenausgänge wußte Egan-Egan so gut wie gar nichts. Es gab ein paar Schlechtluftkanäle, die in die Außenmauer des Gebäudes mündeten – keiner von ihnen jedoch weniger als fünfzig Meter über der Erdoberfläche, und selbstverständlich gab es dort keinen Aufzug.
    Egan-Egan hatte sich deswegen entschlossen, einen der Hauptausgänge zu benutzen. Er kannte den Mechanismus, mit dem sich die Pforten öffneten, ohne daß man vorher einen Passierschein eingeworfen hatte.
    Jener Philosoph, der die weise Äußerung über die Notwendigkeit des nonexistentialistischen Starrkrampfs für den Weiterbestand der menschlichen Art gemacht hatte, war neben seiner Philosophie auch noch schlau genug gewesen, seine Kenntnis über den geheimen Pfortenmechanismus ebenfalls niederzuschreiben und so seinem hypothetischen Nachfolger zu vermitteln.
     
    *
     
    Im Bereich B, Unterbezirk I, Oberbezirk 1, verließ Egan-Egan den interregionalen Boulevard. Jenseits der Grenze zwischen dem B- und dem A-Bereich war die Welt der Stadt zu Ende. Im A-Bezirk gab es keine Geschäfte, keine Imbißräume, keine Gemeinschaftsbäder, keine Nachrichtenvermittlungen und keine Wohnräume mehr. Der Bereich A war der Administration des Oberbezirks 1 vorbehalten. Hier residierte der Koordinator mit einer im Vergleich zu übrigen Bezirken erstaunlichen Anzahl von Unterbeamten.
    Egan-Egan wußte, daß er aufgefallen wäre, wäre er ohne weiteres bis in den A-Bereich vorgedrungen. Er war gezwungen zu warten, bis das Licht erlosch und die Nacht begann.
    Er setzte sich

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