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TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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1.
    Egan-Egan legte die Hälfte der Entfernung, die ihn noch von der Pforte trennte, zurück, ohne daß er einen anderen Menschen zu Gesicht bekam. Dennoch verließ er dort die Straße und machte einen Umweg über eine Querstraße, um an einer anderen Stelle seine Fahrt fortzusetzen.
    Inzwischen hatte die Beleuchtung den Grad nächtlicher Dämmerung erreicht. Es war normalen Augen unmöglich, Einzelheiten so groß wie ein Mensch über eine größere Entfernung als fünfzig Meter zu erkennen.
    Deswegen benutzte Egan-Egan, je näher er seinem Ziel kam, nur noch das jeweils letzte Beschleunigungsband. Es bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von etwa sechs Kilometern pro Stunde und gestattete ihm, rechtzeitig abzuspringen, wenn im düsteren Dämmerlicht die Wand vor ihm auftauchte, die das Ende aller Straßen bedeutete.
    Als er sie sah, empfand er sie als enttäuschend. Für die Stadt war sie das Ende der Welt, und nach Egan-Egans Meinung hätte man sie mit irgendwelchen Insignien ausstatten sollen, die auf diese Funktion hinwiesen. Statt dessen war sie nur ein glattes, kahles Gebilde aus Metallplastik, vor dem in gehöriger Entfernung die Beschleunigungsbänder an der Seite des geländerbewehrten Zentralbandes einen plötzlichen Knick vollführten und im Boden verschwanden.
    Die Wege, die dahinter kamen, mußten zu Fuß begangen werden. Egan-Egan sah sich ein letztes Mal um, dann wandte er sich entschlossen der Wand zu und schritt weit aus. Zwischen den Rillen, in denen die Bänder verschwanden, und der Wand lief ein etwa zehn Meter breiter Weg in beiden Richtungen senkrecht zur Straße. Egan-Egan hielt sich nach rechts, denn er wußte, daß er so wieder auf den interregionalen Boulevard und damit auf die Pforte stoßen werde.
    Der Weg schrumpfte auf eine Breite von kaum zwei Metern zusammen, als Egan-Egan die Straße, auf der er gekommen war, überquert hatte und in den Stollen zwischen den letzten Gebäuden und der Abschlußwand eindrang. Eine Weile noch begleitete ihn der diffuse Schimmer der Nachtbeleuchtung über der Straße, dann war es völlig finster um ihn herum. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, um zu horchen. Aber niemals war etwas anderes um ihn herum als die summende Stille der Stadt.
    Nach einer Weile begann es vor ihm wieder hell zu werden. Eine halbe Stunde, nachdem er seine Straße verlassen hatte, trat er hinter den Gebäuden hervor in den dämmrigen Lichtschein des interregionalen Boulevard, dessen zahllose Bänder etwa zehn Meter rechts seines Weges im Boden verschwanden.
    Auch hier niemand. Egan-Egan fand es erstaunlich, wie leicht es einem Menschen gemacht wurde, die Stadt zu verlassen – wenn er erst einmal die nötigen Kenntnisse besaß.
    Die Pforte befand sich in der Mitte des Stollens, den der interregionale Boulevard durch die Stadt bohrte. Selbst unter seinem schrägen Blickwinkel konnte Egan-Egan sich die beiden Türflügel durch Rillen deutlich von der Wand abzeichnen sehen.
    Er blieb vor der Pforte stehen und sah sich ein letztes Mal um. Hier in der Nähe mußte der Arbeitsraum des Koordinators 1 liegen. Egan-Egan fragte sich, ob er wohl jemals erfahren würde, daß einer aus der Stadt, ohne eine Erlaubnis zu besitzen, die Stadt verlassen hatte.
    Dann betrachtete er das Metall der Pforte. Es war nicht so glatt wie die übrige Wand. Das hatte den Zweck, die eine winzige Unebenheit, die den verborgenen Mechanismus darstellte, in einer Unzahl weiterer Unebenheiten zu verstecken.
    Egan-Egan wußte jedoch, daß die Stelle, die er suchte, kreisrund von der Größe einer menschlichen Faust sei und in der Mitte des linken Türflügels etwa einen halben Meter über dem Boden liege – dort, wo ein normal gewachsener Mann der vierten Kaste unauffällig hingreifen konnte.
    Egan-Egan fand die Stelle bald. Er ballte die Hand zur Faust und legte sie in die flach gewölbte Höhlung. Die Wirkung war prompt, als seien nicht eine Menge Jahre vergangen, seitdem jemand die Pforte zum letzten Male benutzt hatte. Plötzlich klaffte zwischen den beiden Türflügeln ein schwarzer Spalt, der sich zusehends verbreiterte. Die Nachtbeleuchtung des interregionalen Boulevards fiel über Egan-Egans Schultern hinweg und ließ ihn hinter der Pforte einen völlig schmucklosen, kahlwandigen Raum von erstaunlicher Größe erkennen. Er trat hinein und wartete ungeduldig, bis die beiden Türflügel sich wieder geschlossen hatten. In dem Raum gab es keine Lichtquelle. Egan-Egan zog seine Lampe hervor, ließ sie aufleuchten

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