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TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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Nische vorbeischob.
    Egan-Egan verhielt sich ruhig. Es mochte sein, daß der Mann seine Helfershelfer im Hintergrund hielt, um ihn zu täuschen. Er würde nach ihnen rufen, wenn er zur Tür kam und feststellte, daß dort niemand mehr war.
    Nichts dergleichen geschah jedoch. Als der Mann die Tür erreicht hatte, brummte er aufgeregt und nervös vor sich hin. Am Lichtschein sah Egan-Egan, daß er die Lampe aufhob und ihren Strahl in den Gang hineinrichtete. Das war erstaunlich, denn vor der Lampe hatten die Menschen in der Stadt stets eine unüberwindliche Furcht gehabt.
    Es schien den Mann zu verblüffen, daß auch der Strahl der Lampe niemanden im Gang entdeckte. Egan-Egan fragte sich, was er nun wohl dachte, nachdem er geglaubt hatte, einen Eindringling zu erwischen, und ihn nicht mehr finden konnte, als sei er durch die Wand gegangen.
    Dann sagte der Mann etwas. Er sprach nicht laut; aber die glatten Wände reflektierten den Schall gut bis zu der Nische, in der Egan-Egan stand. Der Mann sagte:
    „Komm hervor, Egan-Egan! Ich bin der Koordinator des Oberbezirkes eins und will dein Freund sein!“
    Egan-Egan erschrak bis in das Mark seiner Knochen. Von den tausend Gedanken, die ihm auf einmal durch den Kopf schossen, erfüllte ihn einer mit heißer Wut:
    Sie haben all die Jahre über gewußt, was du tust und wo du bist. Sie haben nur auf diesen Augenblick gewartet, um dir die Hand auf die Schulter zu legen und lächelnd zu sagen: So weit, mein Junge, und keinen Schritt weiter.
    Er trat aus der Nische hervor.
    „Ich komme, Koordinator!“ rief er mit dröhnender Stimme. „Leg die Lampe wieder hin und rühr sie nicht an!“
    Der helle Lichtstrahl sank nach unten und bildete schließlich in der Nähe der Tür einen runden Fleck.
    „Komm nur, Egan-Egan!“ sagte der Mann dort vorne. „Ich habe nichts gegen dich im Sinne!“
    Egan-Egan hob den Lauf des Revolvers so, daß die erste Nadel den Körper des Koordinators treffen mußte, wenn er gezwungen war zu schießen.
    Er ging bis zehn Meter an die Tür heran. Dort blieb er stehen.
    „Was gibt es, Koordinator?“ fragte er trotzig.
    Er wußte, daß jedem Koordinator die Anrede „Erkenntnisreicher“ und den Koordinatoren 1 und 20 die Anrede „Besonders Erkenntnisreicher“ zustand; aber in diesem Augenblick spürte er keine Lust, nach der Etikette der Titel zu verfahren.
    „Du bist ein stolzer Bursche geworden, Egan-Egan“, erwiderte der Mann aus dem Dunkel mit einer Stimme, in der Egan-Egan zu seinem Erstaunen Freundlichkeit und Zuneigung hörte, „seitdem ich dich zum letzten Mal sah.“
    „Du mich gesehen? Wann war das?“
    „Vor fünfzehn Jahren, im Jahr des großen Unfalls in der fünften Straße. Du warst ein kleiner Junge und hattest dich in einen Nährbreisilo des Oberbezirks fünfzehn geschlichen, weil du hungrig warst.“
    „Du!“ lachte Egan-Egan, und sein Zorn wandelte sich in Spott: „Du bist der alte Mann, der solche Angst vor meiner Lampe hatte?“
    „Ich hatte auch Angst“, antwortete der Koordinator, „aber ich bin nicht der alte Mann. Ich war noch jung damals. Der Alte war Trond-Trond. Ich heiße Elf-Elf.“
    Egan-Egan erinnerte sich seines ersten Aufstiegs aus der Halle, als habe er ihn vor ein paar Tagen gemacht. Er sah die Gesichter der beiden Männer deutlich vor sich – das des Alten voller Angst, das des Jungen mit einem freundlichen Lächeln. Er erinnerte sich, daß er dem Jungen zugewinkt hatte, als er die beiden zum Silo hinausjagte.
    „Mach Licht!“ sagte er schroff. „Ich will dein Gesicht sehen!“
    Gehorsam hob der Koordinator die Lampe wieder auf und hielt sie schräg nach oben, so daß der Widerschein sein Gesicht beleuchtete.
    Egan-Egan erkannte es wieder. Es war älter geworden – eben um fünfzehn Jahre älter, aber er hätte es noch in hundert Jahren von jedem anderen zu unterscheiden gewußt, weil es nach dem Tode seines Vaters das einzige war, das ihn jemals angelächelt hatte.
    „Verzeih mir!“ sagte er beschämt. „Ich habe dir mißtraut, ausgerechnet dir.“
    Elf-Elf lachte freundlich.
    „Kein Vorwurf gegen dich. Du konntest nicht anders handeln.“
    Er machte eine kleine Pause, während derer Egan-Egan sich immer hilfloser zu fühlen begann.
    „Ich habe auf diesen Tag gewartet“, sagte er dann.
    „Gewartet?“
    „Ja. Damals wußte ich nicht, wer du bist. Ich kam erst mit der Zeit darauf. In der C-sieben, die damals evakuiert wurde, fehlte ein fünfjähriger Junge. Er hieß Egan-Egan und hatte nach der

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