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TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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lächelte ihm zu.
    „Ich wünsche dir viel Glück!“ sagte er.
    „Danke“, antwortete Egan-Egan. „Ich glaube, ich werde alle guten Wünsche brauchen können.“
    Dann drückte er auf den Knopf. Surrend rollte die Tür beiseite und gab die kleine Liftkabine frei. Egan-Egan trat hinein, und bevor noch die Tür sich wieder schließen konnte, rief er Elf-Elf hastig zu:
    „Ich werde zurückkommen und dich wiedersehen, ganz bestimmt! Und vielen Dank auch!“
    Dann war die Tür zu. Elf-Elf stand immer noch draußen, durch ein schmales Fenster in der Lifttür zu sehen, unter dem gelblichen Licht der Decklampen und winkte mit der Hand.
    In der Kabine gab es abermals einen Lichtknopf, um den Lift in Bewegung zu setzen. Das Licht unter dem Knopf war grün und erlosch, als Egan-Egan den Knopf niederdrückte. Es gab einen kräftigen Ruck, und der Aufzug war in Bewegung.
    Vor dem schmalen Fenster war nichts zu sehen als glatte, huschende Wand. Der Höhenunterschied, erinnerte sich Egan-Egan, betrug 550 Meter. Der Aufzug brauchte knapp eine Minute, um sie zu überwinden.
    Als die Kabine hielt, öffnete sich die Tür von selbst. Egan-Egan trat hindurch und fand sich in einem Raum, der sich in nichts von dem unterschied, den er vor einer Minute verlassen hatte – in fast nichts. Dort, wo in dem unteren Saal sich die Tür des Ganges befand, durch den er gekommen war, gab es hier eine gläserne Pforte, durch die man hinausschauen konnte – hinaus, wohin?
    Egan-Egan preßte sein Gesicht an das Glas und starrte hinaus. Das gelbe Licht der Deckenbeleuchtung reichte ein paar Meter weit und zeigte einen unebenen, steinigen Boden, der hier und dort ein Büschel der Pflanzen trug, die Egan-Egan aus den Beschreibungen als Gras kannte. Wo der Lichtschein aufhörte, war es finster. Egan-Egan schaute nach oben; aber auch dort konnte er nichts sehen. Wo blieben die Sterne?
    Die gläserne Tür besaß einen Mechanismus, der dem der ersten Pforte am Ende des interregionalen Boulevards glich. Egan-Egan preßte seine Hand in die Wölbung und wartete mit angehaltenem Atem, bis die Tür sich so weit geöffnet hatte, daß er hindurchtreten konnte.
    Frische, kühle Luft blies ihm ins Gesicht. Er zögerte, holte einmal tief Atem und tat dann den ersten Schritt. Benommen stand er draußen auf dem holprigen Boden, starrte in die Nacht hinein und nahm nicht wahr, wie die Tür sich hinter ihm schloß.
    Er war der erste, der nach fast zehntausend Jahren wieder Land sah, das nirgendwo von einer Mauer abgegrenzt wurde, der erste, der seinen Fuß auf ein Grasbüschel setzte, der erste, der den kühlen, in seiner Stärke ständig wechselnden Wind im Gesicht spürte.
    Er tat noch ein paar Schritte und hockte sich auf den Boden, weil ihm die Knie schwach wurden. Er hatte den Lichtkreis der gläsernen Tür hinter sich gelassen, und als er nun zum zweiten Mal den Kopf hob, sah er am schwarzen Himmel die schimmernden Lichtpunkte der Sterne.
    Er starrte hinauf, bis ihn der Hals schmerzte. Dann schüttelte er den Kopf und knurrte:
    „Für Flecken halten sie euch, für Flecken am dunklen Mantel des Weltäthers!“
     
    *
     
    In dieser Nacht konnte er nicht schlafen. Er empfand auch keine Müdigkeit. Die Aufregung des großen Abenteuers hatte ihn gepackt und hielt ihn gefangen.
    Er tat nichts anderes, als ein paar Schritte hierhin, ein paar dorthin zu gehen, sich niederzuhocken, in den Himmel hinaufzustarren und die kühle Luft zu atmen. Sie war erfüllt von einem unbeschreiblichen Duft, den die Luft in den Straßen der Stadt nicht kannte. Er nahm an, daß der Duft von den Gewächsen herrühre, die aus dem Boden wuchsen.
    Schließlich entdeckte er einen Baum. Es war ein kümmerliches Stück seiner Art, halb verdorrt und mit mageren kahlen Ästen; die Abgase aus dem Riesengebäude der Viertkastenstadt ließen ihm keine Freude am Leben. Aber er war ein Baum, und überdies noch der erste, den Egan-Egan zu sehen bekam. Gegen alle Vorsicht nahm er sogar seine Lampe zu Hilfe, um dieses wunderbare Gebilde sorgfältiger studieren zu können.
    Als es hell zu werden begann, befand er sich etwa einen Kilometer südlich des Gebäuderandes und hatte daher freien Blick nach Osten, wo, wie er wußte, das Meer lag. Er war aus seinen Büchern auf den Anblick der Sonne vorbereitet; aber als sie dann, rot und wundervoll, über den Horizont stieg – erst ein winziger Schimmer, dann ein breiter Rand und schließlich die volle, glühende Scheibe – da vergaß er alles um sich herum

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