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TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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an den Rändern hochgestülpten Brettes und lief auf vier Rädern. Die ovale Wanne trug im Bug einen mit Plastik umkleideten Klotz und dahinter eine Reihe von Männern, die anders gekleidet waren als alle, die Egan-Egan bisher in dieser Stadt gesehen hatte. Ihre Kleider glichen einander bis auf den letzten Haftknopf. Egan-Egan – aus den Kenntnissen schöpfend, die er sich in der Bibliothek angeeignet hatte – nannte sie Uniformen.
    Das Fahrzeug bewegte sich mit der dreifachen Geschwindigkeit eines Fußgängers. Egan-Egan glaubte es zu erkennen. Ohne Zweifel war es ein Auto, dem man die Karrosseriehaube abgenommen hatte – oder dem sie mit der Zeit abgefallen war. Die Räder, vor der Zeit mit weichem, geräuschschluckendem Material bedeckt, zeigten nur noch die nackten Reifen aus Metallplastik, und die Metallplastik auf dem harten Boden der Straße – das war das polternde Geräusch, das Egan-Egan gehört hatte.
    Der Klotz im Bug des Fahrzeuges war offenbar der Fusionsmotor, der die Räder bewegte. Eine Steuerung jedoch konnte Egan-Egan nicht entdecken. Er fragte sich, wie die Leute im Auto jemals anderswohin als geradeaus fahren konnten.
    Eine halbe Minute später sah er auch das. Das Auto war vorübergefahren, doch vor der Mündung der nächsten Längsgasse beugte der zuvorderst sitzende Mann sich nach vorne und machte sich am Motor zu schaffen. Egan-Egan konnte nicht sehen, was er tat. Auf jeden Fall verstummte das Gepolter plötzlich, und das Auto blieb stehen. Im nächsten Augenblick waren die Männer alle aus der Wanne gesprungen. Sie hoben das Heck des Autos hoch und zerrten es herum, bis das ganze Fahrzeug so stand, daß sein Bug in die Längsgasse zeigte. Dann stiegen die Männer wieder ein, der vorderste von ihnen griff zum Motor, das Auto setzte sich in Bewegung und verschwand in der Gasse.
    Egan-Egan war eine Weile sprachlos gewesen – bis er zu lachen anfing.
    Es machte ihm nichts aus, daß die Leute auf der Straße stehenblieben und ihn überrascht anstarrten. Er vergaß die Vorsichtsmaßregeln, die er sich sorgfältig zurechtgelegt hatte, und lachte weiter, bis ihm die Tränen aus den Augen sprangen.
    Sie hatten ein Auto! Ein Auto, das zehntausend Jahre alt war oder noch älter. Die Karosserie hatten sie verloren und die Reifen auch; aber der Motor war noch intakt. Die Steuerung war ihnen abhanden gekommen, oder vielleicht hatten sie niemals gewußt, daß man das Fahrzeug auch steuern konnte. Aber sie halfen sich auf ihre Art.
    Sie fuhren geradeaus, und wenn sie eine Kurve nehmen mußten, hielten sie das Auto an, stiegen aus, hoben das Auto herum und fuhren weiter.
    Egan-Egan lachte immer noch, als ein Mann auf ihn zukam und ihn sachte an der Schulter berührte.
    „Fehlt dir etwas, Bürger?“ fragte er zaghaft.
    Egan-Egan sah ihn aus tränenverschleierten Augen an.
    „Nein“, keuchte er, „nein, mir fehlt nichts.“
    Der Mann ließ nicht locker.
    „Ich sah, daß du auf dem Wege bist, die Straße zu überqueren. Mein Weg führt auch in die Stadt hinein. Darf ich dich begleiten?“
    Ob es Egan-Egans kaum unterdrückte Heiterkeit war oder das Gefühl grenzenloser Überlegenheit, das ihn beim Anblick des invaliden Autos befallen hatte, er empfand kein Mißtrauen bei der Frage des Mannes. Er sagte:
    „Aber natürlich, gerne. Ich finde dein Angebot sehr freundlich!“
    Sie überquerten die Straße, und als sie die nächste Längsgasse betraten, fragte Egan-Egan:
    „Wer waren diese Leute, die in dem Fahrzeug saßen?“
    Er bemerkte den erstaunten Blick seines Begleiters und dachte, daß er vielleicht etwas falsch gemacht hatte.
    „Das waren Polizisten, Bürger. Hast du noch niemals Polizisten gesehen?“
    „Nein“, antwortete Egan-Egan ehrlich.
    Er wußte, was Polizisten waren; aber unklar blieb ihm, wozu die Drittkasten-Leute eine Polizei brauchten.
    „Wo wohnst du, Bürger?“ fragte sein Begleiter nach einer Weile.
    Egan-Egan deutete mit einer flüchtigen Handbewegung über die Schulter.
    „Dort hinten, am Rande der Stadt“, sagte er. „Dort sieht man Polizisten so gut wie nie.“
    Sein Begleiter nickte. Er schien über etwas nachzudenken, nach der Art zu urteilen, wie er die Stirn runzelte – und ein paar Schritte weiter stellte er abermals eine Frage:
    „Wie heißt du, Bürger?“
    „Ich heiße Egan-Egan“, antwortete Egan-Egan fröhlich, „und du?“
    An dem entsetzten Blick des kleinen Mannes erkannte er, daß er etwas völlig Falsches gesagt hatte. Er wußte nicht warum; aber

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