TS 58: Das Raumschiff der Verbannten, Teil 1
war zwar nahezu lächerlich, zu glauben, daß Helmer nicht mit Wachposten an allen Ausgängen der Hauptliftschächte rechnete; aber eine kleine Chance bestand dennoch, daß Helmers Leute diesen Ausgang für unbesetzt halten würden, wenn sie nahe genug unbeschossen herangekommen waren.
Um 14:00 hatten sie sich um drei weitere Decks heraufgearbeitet – ein Zeichen dafür, daß sie jetzt langsamer vorwärtsgingen. Aus hundertundfünfundzwanzig Metern Höhe war zu erkennen, daß sie sich eines Ersatzliftes bedienten – einer Art Hebebühne, die an winkligem Arm in den Schacht hereinragte und auf deren Plattform etwa fünfzehn Mann Platz hatten.
Kein Wunder, dachte Vandervelt, sie haben fast alle Lastendecks in Besitz. Wenn sie wollen, können sie mit den Vorräten ein ganzes neues Schiff bauen.
Trotz der Nähe der Gefahr entschloß Vandervelt sich, den Rundgang zu unternehmen, den er alle Stunde zu machen pflegte. Er befahl seinen Leuten, ihn über Kleinsender zu verständigen, wenn der Feind bis auf zwei Decks herangekommen sei, und im übrigen Ruhe zu bewahren.
Er nahm sich einen zweiten Mann, Corporal Waldo, als Begleitung mit und marschierte mit ihm zusammen zwei Kilometer nach Osten hinüber, bis sie die vordersten Posten von Captain Livermores Trupp erreichten. Bei Livermore hatte es in der Zwischenzeit nichts Neues gegeben, und die Räume zwischen Livermores und Vandervelts Trupps waren leer.
Keine Gefahr in diesem Sektor, registrierte Vandervelt.
Auf dem Rückweg schlug er einen Bogen nach Süden und gewann mit Corporal Waldo zusammen etwa eine halbe Stunde, nachdemer seine Leute verlassen hatte, einen schmalen Zweiggang, der in südnördlicher Richtung wieder auf den Hauptgang zurückführte und dort auf ihn mündete, wo auch die Öffnung des Hauptliftschachtes lag.
Vandervelts Leute meldeten vom Liftschacht her, daß der Feind – insgesamt offenbar ebenfalls dreißig Mann stark – bis auf drei Decks herangekommen sei. Vandervelt nahm sich daraufhin nicht mehr die Zeit, die angrenzenden Räume zu untersuchen, sondern fuhr mit Waldo auf dem Laufband zurück.
Nach Vandervelts Schätzung mochten sie vom Hauptgang noch etwa dreihundert Meter entfernt sein – Entfernungen waren bei der überall gleichstarken Beleuchtung nur schwer zu schätzen – als Waldo, der hinter Vandervelt auf dem Band fuhr, plötzlich einen wilden Schrei ausstieß.
Vandervelt fuhr herum. Er sah Waldo mit ausgebreiteten Armen zur Seite kippen. Er hatte nie – Godfroys Gesicht ausgenommen – ein häßlicheres, erschreckenderes Gesicht gesehen als Waldos im Augenblick. Die Augen trüb und weit aufgerissen, Blut aus Nase und Ohren … Ultraschallschuß.
Waldo stürzte, fiel auf das nächstlangsamere Band und blieb zurück. Vandervelt sprang zur Seite, kam auf festen Boden und preßte sich in eine Schottnische.
Vorsichtig sah er sich um.
Der Gang war leer bis auf die stets rollenden Bänder. Niemand zeigte sich, der eine Ultraschallwaffe in der Hand hatte.
Vandervelts Gehirn arbeitete fieberhaft. Er versuchte, sich zu erinnern, wie Waldo auf dem Band gestanden hatte. Der Schuß schien ihn – Vandervelt sah den toten Corporal zwanzig Meter weiter südlich im Gang liegen, und er kannte die Merkmale eines Ultraschallschusses – in die rechte Schläfe getroffen zu haben. Wenn Waldo in dem Augenblick, in dem er erschossen wurde, nicht gerade den Kopf ganz weit nach hinten gedreht hatte, dann mußte der Schuß von der östlichen Seite des Gangs hergekommen sein – also von der gegenüberliegenden.
Vandervelt versuchte zu schätzen, hinter welchem Schott sich der Schütze verborgen haben mochte. Da an diesem Seitengang meist kleine Räume lagen und die Schotts dicht beieinanderstanden, fielen drei von ihnen in die engere Wahl.
Vandervelt wußte, daß er keine Zeit zu verlieren hatte. In jederSekunde konnte von seinen Leuten die Meldung kommen, daß der Feind bis auf zwei Decks herangekommen sei. Bis dahin …
Mit einer zweiten Feindgruppe im Rücken war die Lage von vornherein fast aussichtslos. Dreißig Mann – achtundzwanzig, verbesserte sich Vandervelt – waren zwischen zwei Feuern in ein paar Sekunden aufgerieben.
Vandervelt versuchte einen alten Trick. Er schob ein Stück seines langfüßigen Stiefels hinter der Deckung hervor – hastig genug, um einem Treffer zu entgehen, und langsam genug, um den fremden Schützen zu verlocken.
Aber es geschah nichts. Er beugte sich leicht nach vorne, spannte die Muskeln und
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