TS 65: Die Zeit-Agenten
durch die erregte Masse arbeiteten.
Einmal mußten sie stehenbleiben, als eine Legion, die man offensichtlich aus den Provinzen zurückgerufen hatte, auf ihrem Weg zum Palatin vorbeikam. Elspeth konnte nicht umhin, den grandiosen Anblick zu bewundern, den diese Soldaten boten. Der Widerschein der Fackeln auf den schimmernden Rüstungen und Helmen, die klagenden Laute der riesigen Hörner, die Adler, die ihnen vorausgetragen wurden und der rhythmische Marschtritt ihrer schweren Sandalen auf den Pflastersteinen – das alles war eine Kulisse, die man mit der Größe Roms gleichsetzen konnte.
Mack mußte sie schütteln, um sie aus ihrem Traum zu reißen, als die letzte Kohorte vorbeimarschiert war. „Weiter“, drängte er, „beeilen wir uns.“
Als sie an der fabricischen Brücke von einem Posten angerufen wurden, oblag es Elspeth, ihm Rede und Antwort zu stehen – denn Mack konnte natürlich kein Latein. Als sie darum bat, zum Admiral geführt zu werden, teilte man ihr mit, daß er auf seinem Flaggschiff schlief und natürlich nicht gestört werden durfte. Schließlich brachte sie es doch fertig, dem Wachoffizier vorgeführt zu werden, und dort schlug sie einen derartigen Lärm, daß schließlich der alte Plinius mit schläfrigen Augen auftauchte. Er ließ sie und Mack sofort in seine Kabine führen.
„Gut gemacht, Elly“, lobte Mack leise und fühlte sich wie ein Ritter von König Artus’ Hof, der plötzlich zum Teilnehmer an der Tafelrunde befördert worden war.
Binnen einer halben Stunde waren sie unterwegs, das reich mit Gold geschmückte hölzerne Flaggschiff mit seinen vierzig Rudern und dem gerefften Segel glitt in magischer Stille durch die glatten Wasser. Die Agentin stand neben Mack auf dem Vorschiff und blickte auf das nächtliche Rom hinüber. Der Palast auf dem Aventin hob sich schwarz vor dem hellen Nachthimmel der Stadt ab. Rings um ihn glommen die Feuer der Legionen, die dem Schein nach dort auf dieBegräbnisparade für den verstorbenen Kaiser warteten, in Wirklichkeit aber de Mestres Männer und Maschinen blockierten.
Sie fragte sich, was wohl geschehen mochte, wenn de Mestres entschied, einen Ausfall zu machen und seine technisch überlegenen Streitkräfte gegen die primitiven Waffen der Legionäre einsetzte.
*
Sie erreichten Ostia lange vor der Morgendämmerung und ohne besondere Vorkommnisse. Dort wurden sie zusammen mit dem Admiral auf eine schnelle Trireme gebracht, und kurz darauf stachen sie erneut in See. Hinter ihnen ragten die dunklen Fassaden der vier- und fünfstöckigen Lagerhäuser auf, die die ganze Uferseite säumten. Sie glitten geschwind zwischen den Dutzenden von Galeeren und kleineren Seefahrzeugen dahin, deren prunkvoll geschmückte Heck- und Bugaufbauten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne widerspiegelten.
Als sie die offenen Gewässer des Tyrrhenischen Meeres erreicht hatten, wurde der Seegang stärker, aber der Wind war ihnen günstig. Das große Segel fuhr langsam den Hauptmast empor und blähte sich wie ein riesengroßer rosaroter Fallschirm im Wind. Die Ruder wurden eingezogen, und das mächtige Kriegsschiff schoß mit hoher Geschwindigkeit durch die Wogen.
Elspeth wurde schnell in die Rolle eines Dolmetschers zwischen Mack und Plinius gedrängt. „Was für eine Maschine willst du machen?“ fragte sie. „Unser Freund möchte das wissen.“
„Sag ihm“, sagte Mack und rieb sich mit der Hand über die Stirn, „daß ich eine Art Schießbaumwolle ausprobiere, die ich mit ein paar Explosionskapseln von Herzland zünden will. Du kannst ihn ja fragen, ob er irgendwo unter Deck eine Atombombe versteckt hat.“
Elspeth übersetzte das – mit Ausnahme seines Hinweises auf die Atombombe – und fragte dann Mack: „Meinst du, daß es damit klappt?“
„Wenn der Vesuv zur Zeit aktiv ist, wahrscheinlich schon“, erwiderte er und fügte dann hinzu, „und wenn wir die Ladung weit genug hinunterbringen. Und jetzt sei ruhig und laß mich arbeiten.“
*
Als sie sich am nächsten Morgen der Bucht von Neapel näherten, erinnerte sie der Anblick an ein kitschiges Postkartenbild, so grell erschienen ihr alle Farben.
Sie war schön, diese phantastische Welt – und sie sollte mithelfen, diese Schönheit zu zerstören. Aber es mußte sein! Sie sah Mack zu, der vier stämmige Seeleute bei dem Verladen der Explosivstoffe beaufsichtigte.
„Meinst du, daß du die Kletterei schaffst?“ fragte sie Mack, als sie am Pier standen. Sie nickte. Nachdem
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