TS 68: Die Stadt im Meer
und aus Pech oder irgendeiner harten Teersubstanz zu bestehen schienen.“
Zee maß den Zwischenraum zwischen den Bäumen.
„Diese hier scheint recht breit für so etwas zu sein. Es kann doch keinen vernünftigen Grund für eine künstliche Straße von dieser Breite geben!“
„Das ist mir auch aufgefallen, Captain. Ich kann es mir nicht erklären.“ Perri schüttelte den Kopf. „Ich wette, daß sechs Gespanne hier nebeneinander Platz hätten.“
Dr. Barra sagte: „Ich habe die Kurven beobachtet, Sie auch? Sehen Sie sich die da vorne an. Also, wenn wir eine Straße bauen, würden wir geradewegs auf den Berg zuhalten und ihn dann in engem Bogen umgehen. Hier ist es anders. Sehen Sie doch die weite, sanfte Kurve.“ Sie zeigte weit nach vorne. „Sehen Sie die Mädchen da vorne? Wenn wir der Straße folgen, brauchen wir zwanzig Minuten bis da, wo sie jetzt sind. Aber wir könnten in zehn Minuten hinkommen, wenn wir querfeldein marschieren.“
„Du hast recht, Barra. Wenn es eine künstliche Straße ist, warum hat man soviel Platz vergeudet?“
„Ich weiß es nicht, Captain.“
Die kahle Straße wand sich weiter aufwärts, immer den steilen Bergen ausweichend. Langsam blieben die Bäume zurück und machten grasbedecktem, ödem Land Platz. Die Sicht wurde besser.
Einmal wurden sie durch den Schrei eines Soldaten der Vorhut aufgeschreckt, aber der Störenfried war nur einer der wilden Männer aus den Bergen, leicht erkennbar durch seine zerlumpte Kleidung. Er verschwand zwischen den Felsen, offensichtlich erschreckt durch ihren Anblick. Die Truppe marschierte weiter. Tiere sahen sie nicht.
„Das habe ich auch nicht erwartet“, kommentierte Zee den Mangel an Wild. „Diese verdammten Wagen verscheuchen doch alles in erreichbarer Nähe. Aber ich fürchte, daß wir bald Schwierigkeiten mit der Nahrung haben.“
Die Ärztin antwortete nicht. Die gleichmäßige Marschgeschwindigkeit ermüdete sie, aber sie gab sich Mühe, es nicht zu zeigen.
Zum hundertstenmal betrachtete Zee den Mann. Sie wollte sich nicht eingestehen, daß er wirklich ihre Gedanken lesen konnte, aber dennoch war es möglich. Und daß sie sich die Ohren zuhielt, konnte nicht ihre Gedanken vor ihm verbergen – wenn es wirklich wahr war. Er hatte bestimmt innerlich über sie gelacht.
Sie wollte nicht, daß er über sie lachte.
Warum nicht? Schließlich war er ja nur ein Eingeborener, den man kaum beachtete. Aber sie hatte gehofft, daß sie mit ihm Freundschaft schließen konnte. Unter dieser braunen Haut mußte es doch einen richtigen, warmherzigen Menschen geben, und den wollte sie entdecken. Der Marsch würde lang sein – und unter Freunden marschierte es sich besser.
Seine Augen waren anziehend. Ihr gefiel die Intelligenz, die sie verrieten.
Ganz plötzlich blieb Wolf stehen. Zee erschrak – hatte er wieder ihre Gedanken gelesen? Der Mann drehte sich um und zeigte mit seiner braunen Hand nach vorne. Zee folgte ihr mit den Augen.
Die Pfadfinder hatten haltgemacht. Eine kam auf den Captain zugelaufen.
Zee rief einen Befehl. „Achtung!“
Die Soldaten hatten ihn erwartet und hielten ihre Waffen schon in Bereitschaft.
Zee trat neben den Mann.
„Was ist los?“ fragte sie.
Wieder zeigte er nach vorne, über den Pfadfinder hinaus.
Die Straße war allmählich schmaler geworden und führte nun durch einen engen Canyon. Der Fluß war jetzt nur noch ein steiniger Bach, der sich hinter Büschen und Hügeln versteckte. Etwa eine Viertelmeile weiter vorne war alles zu Ende. Straße und Tal waren von einem Erdwall versperrt.
Außer Atem kam der Pfadfinder heran.
„Der Canyon ist blockiert, Captain. Wir können nicht weiter.“
„Blockiert? Kann man das Hindernis nicht umgehen?“
„Nein, Captain. Es sieht wie ein Erdrutsch aus.“
Zee kontrollierte schnell die Nachhut. Sie hatte sich schon herumgedreht, um etwaige Angreifer abzuwehren. Sie berührte Wolfs Arm und sah ihm in die Augen.
„Nun?“
Er sagte nichts, sondern trat zum nächsten Wagen und machte einen der Spaten los. Dann ging er auf den Erdwall zu. Zee zögerte nur einen winzigen Augenblick und befahl dann den anderen, sich auch Spaten zu holen. Sie folgte dem Mann.
Wolf ging an den Pfadfindern vorbei, gefolgt von einer Handvoll Soldaten mit geschulterten Spaten. Die Pfadfinder deckten sie mit schußbereiten Waffen. Am Fuße des Erdrutsches hielt er an und untersuchte die Oberfläche.
In der Stille war das Rauschen eines unsichtbaren Wasserfalles zu hören. Zum
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