TS 68: Die Stadt im Meer
zurückkehren konnte. Wenn sie jedoch den Tunnel betrat, mußte sie weitergehen. Natürlich gab es immer noch die Möglichkeit einer Umkehr, aber hier war der Wendepunkt. Wenn sie umkehren wollte, konnte sie den Tunnel nicht betreten. Als sie aufsah, bemerkte sie, daß Wolf sie gespannt anblickte.
„Captain?“ Es war der Pfadfinder.
„Ja?“
„Captain – hinter dem Tunnel scheint die Sonne.“
„Die Sonne …?“
„Ja, Captain. Sie blendete uns fast. Blauer Himmel.“
Zee gab nach. „Also gut.“ Sie wandte sich an Leutnant Donn. „Wir marschieren, Leutnant.“
„Jawohl, Captain.“ Sie setzte die Trillerpfeife an die Lippen.
„Die Nachhut bleibt hier, bis wir den Tunnel hinter uns haben. Schicken Sie ihnen einen Melder.“
„Jawohl, Captain.“
Zee betrat den Tunnel. Jemand ging neben ihr mit einer Fackel. Es war Wolf. Einmal, als sie stolperte und fast gefallen wäre, fing er sie schnell auf und warf dann den Stein beiseite, um den nachfolgenden Wagen den Weg frei zu machen. Lange verweilten ihre Gedanken bei diesem Zwischenfall. Die Geste bedeutete mehr als nur eine Hilfeleistung. Von den Küstenbewohnern hätte nicht einer einen Soldaten berührt, ganz gleich aus welchem Grund. Furcht und Respekt hielten sie davon ab.
Ihre Lippen formten ein verzerrtes Lächeln. Wolf zeigte überhaupt sehr wenig Furcht und Respekt, am wenigsten vor ihr.
Und der Arm, der sie gehalten und den großen Stein beiseite geworfen hatte, war überwältigend stark gewesen. Voll Schreck erkannte sie, daß er sie ohne jede Anstrengung aufheben und tragen konnte, wenn er wollte.
Sie wollte nicht, daß ein Mann ihr an Stärke gleichkam, noch weniger sie übertraf. Sie straffte die Schultern. In der Ferne wurde es allmählich heller.
Die Sonne blendete.
Als sie aus der Dunkelheit des Tunnels traten, war das Licht überwältigend. Zees Soldaten standen vor dem Tunnelausgang und bedeckten die Augen mit den Händen. Sie wollte einen Befehl rufen, trat aber dann ebenfalls in die Sonne hinaus und mußte die Augen schließen. Ihr Instinkt warnte sie, daß es gefährlich sei, daß sie leicht Opfer eines Überfalls werden konnten, während sie geblendet dastanden, und sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Das erste, was sie sah, war Wolf, der sie beobachtete. Hinter ihm erhob sich der grüne Abhang eines anderen Berges.
Sie wurde ärgerlich. Warum starrte er sie nur immer an?
„Vorwärts!“ befahl sie.
Die Pfadfinder gingen langsam voran und tauschten nur zögernd das warme Sonnenlicht gegen die Finsternis und Kälte des zweiten Tunnels ein.
„Ein bißchen schneller!“ fuhr Zee sie barsch an.
An diesem Tag passierte die Truppe den zweiten und noch einen dritten Tunnel und biwakierte schließlich vor dem Eingang eines vierten. Die Tunnels waren von unterschiedlicher Länge, manche nur eine halbe Meile lang. Dazwischen schien immer die Sonne. Einige Soldaten hatten ihre Helme abgesetzt und die Arme entblößt. Dr. Barra marschierte fröhlich dahin, die Ärmel bis zu den Schultern aufgerollt. In dieser Nacht verteilte sie den Essig, aber nur wenige benutzten ihn.
Zwei Tage lang folgte ein Tunnel dem anderen, dann wurden die Berge niedriger, und die Straße wand sich wieder durch Täler und über kleinere Hügel. Am Ende der ersten Woche hatten alle eine krebsrote Haut und schälten sich. Der Essig wurde reichlich aufgetragen und einige Soldaten zeigten stolz eine leichte Bräune auf Hals und Armen vor. Und am Ende der ersten Woche wußte Zee, daß Leutnant Donn den Mann für sich begehrte, wußte, daß es eine Auseinandersetzung geben würde, denn im Grunde war ihr klar, daß auch sie ihn für sich beanspruchte.
Sie konnte nicht sagen, wie es dazu kam, daß sie ihn für sich haben wollte, denn in ihren Augen war er noch immer ein Eingeborener, und niemand durchbrach die Schranke, die die Eingeborenen von ihnen trennte. Und doch wollte sie instinktiv Wolf neben sich haben – für immer. Er ging neben ihr, arbeitete neben ihr und hatte deutlich gezeigt, daß er auch neben ihr kämpfen würde, wenn es nötig war. Er gehörte ihr. Basta.
Aber in dieser Woche hatte Leutnant Donn durch ihre Haltung zu erkennen gegeben, daß die Sache damit nicht erledigt war.
Barra beobachtete alles und schwieg. Sie erkannte, was vor sich ging und glaubte, den Ausgang vorauszusehen. Und schwieg, weil sie glaubte, daß der Ausgang so, wie sie ihn kommen sah, notwendig war.
Während dieser Woche merkte Captain Zee, daß vier
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