TS 84: Das Gestirn der Ahnen
sie!“
„Hör zu“, sagte Fairlie ernst, „wir wollen dir nichts tun. Wir sind Freunde.“
Die Lampe beleuchtete sie wieder einen Augenblick lang, und Fairlie sah, daß sie eine Art Umhang mit einer Kapuze trug, um sich vor dem Regen zu schützen.
„Dann laß mich gehen!“ antwortete sie.
Dieser einfache Satz, die Tatsache, daß sie ihn verstanden hatte, warf Fairlie beinahe um. Er konnte sie nur wortlos anstarren, so sehr erstaunte es ihn, daß hier immer noch die alte Vanrynsprache gesprochen wurde. Selbst wenn Kalber jetzt leibhaftig vor ihm erschienen wäre, hätte er nicht verblüffter sein können.
Er suchte krampfhaft nach einer Erklärung für dieses Phänomen. Irgend etwas mußte daran schuld sein, daß die Sprache sich nicht weiterentwickelt hatte. Aber was? Er konnte es sich nicht vorstellen, aber es war so und diese Frau hatte ihn verstanden, hatte mit ihm gesprochen …
Eine Frau von Ryn …
Stimmen auf einer Silberkugel, Schatten, die schon längst verschwunden sind, Vermutungen – nicht mehr. Aber sie ist eine Vanryn. Sie steht aufrecht vor mir, sieht mich an, denkt anscheinend über mich nach – ist wirklich.
Plötzlich fühlte er wieder, wie kalt der Wind war.
„Sie haben also tatsächlich eine von ihnen erwischt“, keuchte DeWitt, der unterdessen herangekommen war. „Ausgezeichnet. Leuchten Sie sie an, Smith! Ich möchte sie mir genau ansehen.“
Smith tat wie befohlen.
„Ich wollte sie nicht gefangennehmen“, wandte Fairlie auf englisch ein. „Ich wollte nur mit ihr sprechen. Sie versteht, was ich sage …“
„Und dabei waren Sie doch immer der Meinung, daß das unmöglich sei!“ spottete DeWitt.
Er betrachtete die Frau mit glänzenden Augen. „Ausgezeichnet. Los, reden Sie mit ihr. Fragen Sie sie, wie viele andere hier in der Gegend sind. Fragen Sie sie, was sie hier wollten, ob sie uns beobachten sollten. Fragen Sie sie, wo sie leben, was für Städte sie haben, was für Raketen, was für Maschinen.“
Fairlie, der sich immer noch nicht ganz von seiner Überraschung erholt hatte, fragte sie.
„Maschinen?“ fragte die Frau. Es war, als ob ihr dieses Wort, das Fairlie benutzt hatte, seltsam vorgekommen sei. „Wir haben nichts dergleichen. Nichts.“
„Was sagt sie?“ wollte DeWitt ungeduldig wissen. Als Fairlie ihm ihre Antwort übersetzte, wurde sein Gesichtsausdruck hart und böse. „Sie will nur nichts sagen. Sie gehört zu den Vanryn, sonst würde sie ja auch nicht ihre Sprache beherrschen. Fragen Sie sie weiter.“
Fairlie ignorierte ihn und sagte zu ihr: „Wir wollen eure Freunde sein. Wir haben einen langen Weg nach Ryn zurückgelegt …“
„In dem Raumschiff, das wir gesehen und gehört haben?“
„Dann weißt du also doch etwas über Raketen“, sagte Fairlie eifrig. „Und trotzdem willst du behaupten, daß ihr keine habt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir haben keine. Deshalb war Thrayn – deshalb waren wir – neugierig.“
„Wer ist Thrayn?“
Ihre Augen lachten ihn aus. „Thrayn ist Thrayn. Und ich bin Aral.“
DeWitt mischte sich ein. „Fairlie, das hier ist keine Privatunterhaltung, ich möchte alles sofort übersetzt haben!“
Fairlie übersetzte ihm ihre Unterhaltung.
„So erreichen Sie nichts“, meinte DeWitt ärgerlich. „Sie lassen sich von ihr an der Nase herumführen. Wir sind schließlich nicht hier, um …“
Er brach ab, als er Thomason herankommen hörte. „Gaffen Sie nicht, Thomason! Hier in der Gegend müssen noch ein paar andere sein. Smith, geben Sie mir die Lampe und suchen Sie zusammen mit Thomason. Beeilt euch!“
Aral sah DeWitt nachdenklich an und wandte sich dann an Fairlie. „Ist der auch mein Freund?“ fragte sie ironisch.
„Er ist nur einer unserer Wissenschaftler“, sagte Fairlie schnell. „Er ist nicht der Leiter der Expedition. Er wird …“ Er schwieg. Eigentlich hatte er sagen wollen: „Er wird dir nichts tun.“ Aber wenn er den Blick in DeWitts Augen sah, wußte er es nicht mehr so bestimmt. Es war durchaus möglich, daß DeWitt die Geduld verlor und es auf andere Weise versuchte.
Er wandte sich wieder an die Frau. „Aral, wenn wir dich jetzt gehen lassen, wirst du dann zurückkommen? Mit anderen Vanryn?“
„Ja“, antwortete sie schnell.
„Dann geh.“
Er ließ ihren Arm los. Sie drehte sich um und floh wie ein aufgeschrecktes Reh. DeWitt stieß einen überraschten und ärgerlichen Schrei aus, versuchte sie festzuhalten, griff daneben. Er stolperte und fiel, wobei er die
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