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TS 88: Das Ende der Zeitreise

TS 88: Das Ende der Zeitreise

Titel: TS 88: Das Ende der Zeitreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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hatte hier in der Wirkung des Neutrinos die Denkarbeit übernommen.
    Wie solche überaus penetranten Elementarteilchen auf so kleinem Raum gebändigt wurden, wußte kein organisches Lebewesen. Ein Neutrino war an und für sich derart durchdringend, daß es nicht, wie alle anderen Partikel, durch Strahlenschutzwände oder künstliche Feldleiter abgebremst werden konnte. Selbst eine fünfzig Lichtjahre dicke Bleiwand würde dieses Kunststück nicht fertigbringen, denn Neutrinos könnten ohne merkliche Verzögerung Millionen Planeten und Sonnen durchrasen. Das wird erst begreiflich, wenn man weiß, daß dieses unbegreifliche Ding weder Masse noch Ladung, sondern lediglich Spin besitzt.
    Hagar seufzte. Was sollte ihm ein noch so intelligentes Neutrinogehirn in seiner Lage nützen? Doch dann meldete sich sein Eigensinn, ein Charakterzug, der einen guten Teil Schuld an seiner Verbannung trug. Mit einem Druck auf die schmale Schaltleiste zu seiner Rechten aktivierte er das Gehirn und befahl ihm eine genaue Analyse des umliegenden Raumes.
    Das Gehirn war kleiner als eine Streichholzschachtel, und allein hätte es nichts mit Hagars Befehl anfangen können. Aber das Raumschiff enthielt viele Tausende Geräte und Aggregate. Sie alle wurden vom Augenblick der Aktivierung an zu Organen des Bordgehirns, dessen Körper das ganze Schiff umfaßte. Nur der Mensch war der einzige Fremdkörper in diesem harmonisch abgestimmten Mechanismus.
    Gelangweilt lauschte Hagar dem Bericht des Gehirns. Er enthielt nichts, das er sich nicht hätte auch so denken können. Doch dann fuhr er überrascht hoch. Das Gehirn hatte ihm etwas mitgeteilt, was er hier niemals erwartet hatte. Er ließ sich die Meldung wiederholen.
    Ungläubig schüttelte er den Kopf. Eine rote Zwergsonne war in diesem Raumsektor nichts Ungewöhnliches. Aber daß sie über zwei Planeten verfügte, deren Abstände dem Massengleichgewicht zuwiderliefen, regte Hagar auf. Er ließ das, was er berechnet hatte, vom Gehirn kontrollieren. Das kam zum gleichen Ergebnis. Meunier hatte vor mehr als drei Millionen Standardjahren genaue Tabellen aufgestellt, aus denen man die Stellung und die Zahl der einzelnen Planeten eines Sonnensystems berechnen konnte, wenn Angaben über die Massen der Sonne und wenigstens zweier Planeten vorhanden waren. In diesem Falle hätte die Zwergsonne laut Katalog neun Planeten unterschiedlicher Größe besitzen müssen.
    Zum erstenmal seit seiner Verbannung regte sich in Hagar wieder das Interesse des wissenschaftlich gebildeten Menschen. Hier gab es ein Rätsel, das er lösen konnte und das ihn seine Einsamkeit für einige Zeit vergessen lassen würde! Er erteilte dem Bordgehirn die Weisung, das exzentrische Sonnensystem anzusteuern und vierzig Lichtstunden vor dem äußeren Planeten wieder in den Normalraum einzutauchen.
    Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß Raumsprünge über kurze Entfernungen eine nachhaltigere Schockwirkung auf den menschlichen Körper ausüben, als solche über weite Distanzen. Das ist eine Folgeerscheinung der Hyperraumkrümmung. Deshalb war es nur natürlich, daß Hagar einige Zeit benötigte, um seine Umgebung in voller Klarheit zu erfassen. Der erste klare Eindruck jedoch genügte, um ihn vollends munter zu machen. Es war das durchdringende Heulen der Alarmsirenen.
    „Was ist los?“ fragte er mühsam.
    „Fremdkörperortung!“ meldete das Bordgehirn. „Ich bin dabei, die Ursache festzustellen.“
    Hagar nickte automatisch. Erst, als er die Meldung geistig verarbeitet hatte, kam ihm das Ungewöhnliche daran zu Bewußtsein. „… bin dabei, die Ursache festzustellen“, murmelte er vorwurfsvoll. „Die Ursache einer Fremdkörperortung ist ein Fremdkörper, oder nicht?“
    „War“, erwiderte das Gehirn lakonisch. „Der Alarm ist aufgehoben, Hagar. Ich setze jetzt zum Einflug an.“
    Hagar runzelte die Stirn. Er begriff überhaupt nichts mehr. Wenn eine so intelligente Maschine, wie es das Neutrinogehirn darstellte, Alarm gab, so mußte ein triftiger Grund dafür vorhanden gewesen sein. Ein solcher Grund aber löste sich nicht von einer Sekunde zur anderen in Wohlgefallen auf. Irgendwo stimmte hier irgend etwas nicht. Aber was? Er forderte eine ausführliche Auskunft. Aber das Gehirn antwortete einfach nicht. Hagar wurde zornig, er tobte, er schlug mit der Faust auf den Schalttisch, bis er sich resignierend in seine Kabine zurückzog. Das Gehirn würde nichts tun, was einem Menschen Nachteile oder gar Schaden bringen

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