TS 93: Der Unangreifbare
„Wir hatten oft unsere kleinen Auseinandersetzungen, aber wir wissen, was wir voneinander zu halten haben.“
„Ich möchte jetzt endlich wissen, worum es geht“, entgegnete Gannoway ungeduldig. „Erst dann kann ich entscheiden, was ich tun werde. Es geht dabei schließlich auch um andere, die ich überzeugen muß, bevor ich unsere ganze Organisation in den Dienst der Sache stellen kann. Wenn Sie wirklich eine Möglichkeit haben, Marcus aus dem Sattel zu heben, läßt sich vielleicht etwas machen.“ Er blickte bei diesen Worten auf den Generator, den Koskinen vor sich auf den Teppich gestellt hatte.
„Diese Möglichkeit ist vorhanden“, sagte Trembecki. „Können Sie den anderen Mitgliedern der Organisation trauen?“
„Wenn sich Ihre Ziele mit denen meiner Freunde decken, werden Sie auf jeden einzelnen bauen können.“
„Und was sind das für Ziele?“
„Lesen Quarles. Wir sind nur seine Anhänger.“
„Er wäre nicht der erste Prophet, dessen Theorien anderen nur Vorwände bieten.“
„Er lebt noch“, erwiderte Gannoway. „Er ist emeritierter Professor an der Columbia Universität. Wir sehen uns ziemlich oft.“ Gannoway brach das einleitende Gespräch ab und wandte sich direkt an Koskinen. „Hören Sie, es geht um Ihr Leben, und deshalb sollten Sie entscheiden, ob Sie mir rückhaltlos vertrauen wollen. Wenn nicht, dann verschwinden Sie. Ich werde nichts gegen Sie unternehmen, obwohl ich in ernste Schwierigkeiten gerate, wenn man Sie erwischt und mit Drogen behandelt.“
Koskinen leckte sich die trockenen Lippen. „Ich war lange nicht hier“, murmelte er unschlüssig.
„Er hat schlechte Erfahrungen gemacht“, griff Vivienne vermittelnd ein. „Wie soll er wissen, wem er trauen kann?“
„Wir haben leider nicht viel Zeit“, erwiderte Gannoway. „Ich schlage vor, wir laden Quarles ein, damit sich unser junger Freund über die Ziele der Egalitarier informieren kann.“
„Das würde den Kreis der Mitwisser nur erweitern“, gab Trembecki zu bedenken.
„Keine Angst, Quarles ist seit Jahren blind. Ich brauche ja nicht die richtigen Namen zu nennen.“
„Und er wird einfach kommen, wenn Sie ihn dazu auffordern?“ fragte Koskinen zweifelnd.
„Wahrscheinlich. Er ist sehr einsam.“
Trembecki schmunzelte erwartungsvoll. „Ich habe schon an sehr vielen merkwürdigen Unterredungen teilgenommen. Eine Unterhaltung mit einem der bedeutendsten Soziologen unserer Zeit wird allerdings ein Höhepunkt sein.“
„Das glaube ich auch.“ Koskinen war sehr nachdenklich geworden. „Wir haben auf dem Mars eine Menge gelernt. Emotionen sind wahrscheinlich wichtiger als kalte Logik. Man muß das Ganze erfassen. Vielleicht kommen wir den Gedanken dieses Soziologen näher, wenn wir ihn persönlich sehen und hören.“
„Dann werde ich ihn rufen“, sagte Gannoway und verließ das Arbeitszimmer.
Trembecki runzelte die Stirn. „Ich wünschte, ich hätte mich mehr mit den Egalitariern befaßt“, murmelte er. „Jetzt muß ich mich leider nur auf mein Gefühl verlassen. Immerhin ist es keine schlechte Idee, mit dem geistigen Vater dieser Idee zu sprechen. Ich wette, der Alte weiß nichts von der Untergrundorganisation seiner Anhänger. Man kann aber einen Baum an der Beschaffenheit seiner Wurzeln beurteilen. Warten wir also ab.“
Gannoway kam zurück. „Er kommt sofort“, sagte er zufrieden. „Ich habe ihm gesagt, daß ich ein paar Gäste habe, die mehrere Jahre fort waren und deshalb nicht viel von ihm und seinen Lehren wissen.“
„Wir müssen uns vorbereiten“, sagte Trembecki zielbewußt. „Wie wollen wir uns nennen? Wir dürfen nachher keine Fehler machen.“
Sie legten sich eine Geschichte zurecht und gaben sich falsche Namen. Als Quarles ankam, gingen sie alle in das größere Wohnzimmer hinüber.
Quarles war ein kleiner Mann. Ein schmales Band umschloß seinen Kopf. Es war ein Gerät, mit dem der Mann Hindernisse wahrnehmen und Zusammenstöße vermeiden konnte. Auf diese Weise konnte er sich ziemlich sicher bewegen.
Er war sehr höflich und begrüßte die Anwesenden. Gannoway lenkte das Gespräch sehr bald auf den Kern der Sache.
„Ich will ganz ehrlich sein“, begann Quarles. „Die Bezeichnung Egalitarier gefällt mir nicht besonders. Diese Bezeichnung erinnert mich an ein Flaschenetikett. Jeder setzt einen bestimmten Inhalt voraus, ganz gleich, ob dieser Inhalt sich wirklich in der Flasche befindet oder nicht. Überlegen Sie, was aus den Konzepten Demokratie und
Weitere Kostenlose Bücher