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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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denn?“
    „Du hast mit deinem ersten Auftrag praktisch den ganzen Vorrat von Rom aufgebraucht“, erklärte der Gerber. „Nein, es geht beim besten Willen nicht.“
    Padway dachte nach und mußte zugeben, daß der Mann recht hatte. Pergament war ein Nebenprodukt der Schaf– und Ziegenindustrie. Eine stark gesteigerte Nachfrage mußte automatisch dazu führen, daß die Preise in die Höhe stiegen – ohne daß das Angebot dabei größer wurde. Wenn die Römer auch von Wirtschaftspolitik praktisch nichts verstanden, funktionierte das Gesetz von Angebot und Nachfrage recht gut.
    Aber Padway brauchte Papier! Seine zweite Ausgabe würde sich sehr verspäten.
    Um sich nun entsprechendes Material zu beschaffen, ging er zu einem Filzmacher und forderte ihn auf, ein paar Pfund weißes Tuch in Fetzen zu zerreißen und daraus den feinsten Filz herzustellen, den es überhaupt gibt. Der Mann produzierte ein Blatt, das wie ausnehmend dickes und samtiges Löschpapier aussah. Padway wies den Filzmacher geduldig darauf hin, daß er das Tuch noch feiner zerreißen müsse. Als er die Werkstätte verließ, sah er, wie der Mann sich vielsagend mit dem Finger an die Stirn tippte. Aber nach dem zwanzigsten Versuch präsentierte er ihm doch ein Papier, das sich nicht schlechter zum Schreiben eignete als ein Papiertaschentuch aus dem zwanzigsten Jahrhundert.
    Und dann kam die große Enttäuschung! Ein Tropfen Druckerschwärze breitete sich auf diesem Papier zu einem Flecken mit ein paar Zentimeter Durchmesser aus. Padway wies den Mann an, zehn weitere Blätter herzustellen und einem jeden eine andere Substanz zuzufügen – Seife, Olivenöl usw.
    An diesem Punkt angelangt, drohte der Mann damit, den Versuch aufzugeben, und es blieb Padway nichts anderes übrig, als ihm eine Preiserhöhung zuzusagen. Und dann stellte sich endlich der Erfolg ein: Wenn man der Masse etwas Ton beifügte, ließ sich brauchbares Schreibpapier erzeugen.
    So waren die Tage in beständiger Sorge um das Gelingen seiner Pläne verstrichen, und als Nevitta ihn mit einer Einladung zum Rennen aus den trüben Gedanken riß, kam der Gote ihm gerade willkommen.
    „Hast du ein Sattelpferd?“ erkundigte der Gote sich. Als Padway verneinte, versprach er:
    „Ich schicke dir morgen Herman mit einem Pferd.“
    So kam es, daß am nächsten Nachmittag Padway, mit einem neuen Paar rindlederner byzantinischer Stiefel bekleidet, neben Herman die Via Flaminia hinaufritt. Die römische Campagna war, wie er feststellte, immer noch verhältnismäßig wohlhabendes Farmland. Erst im Mittelalter würde daraus eine verlassene Wüstenei werden.
    „Wie war das Rennen?“ fragte Padway.
    Wie es schien, waren Hermans Lateinkenntnisse gering, wenn auch noch weit besser als Padways Gotisch.
    „Oh, mein Meister … Er furchtbar ärgerlich. Er reden … du wissen … großer Sportsmann … aber Geld verlieren … hat fünfzig Sesterzen auf Pferd verloren. Machen Lärm wie … du wissen … wie Löwe mit Halsschmerzen.“
    Auf dem Hof lernte Padway Nevittas Frau, eine plump gebaute Person, die kein Latein konnte, und seinen ältesten Sohn, Dagalaif, kennen, einen gotischen Scaio oder Feldpolizisten, der gerade auf Urlaub zu Hause weilte. Das Abendessen entsprach durchaus den Berichten, die Padway über den Appetit der Goten gehört hatte. Als angenehme Überraschung konstatierte er, daß das Bier, das ihm angeboten wurde, wesentlich besser schmeckte als das Zeug, das man unter diesem Namen in Rom verkaufte.
    Dagalaif, dem sein Vater offenbar von Padway erzählt hatte, wollte wissen:
    „Sag, Martinus, weißt du, wie der Krieg sich entwickeln wird?“
    Padway zuckte die Achseln.
    „Ich weiß nur, was jeder andere auch weiß. Ich habe keinen privaten Draht – ich meine, keinen Spion im Himmel. Aber wenn ihr meine Meinung hören wollt, dann würde ich sagen, daß Belisarius diesen Sommer in Bruttium einfallen und im August Neapel belagern wird. Seine Streitkräfte werden nicht besonders groß sein, aber er wird verdammt schwer zu schlagen sein.“
    Dagalaif zuckte die Achseln.
    „Nun, wir werden’s ihm schon, zeigen. Eine Handvoll Griechen hat gegen die vereinte Macht der gotischen Nation keine Chance.“
    „Das haben die Vandalen auch gedacht“, antwortete Padway trocken.
    „Äh“, machte Dagalaif. „Dafür machen wir auch nicht die gleichen Fehler wie die Vandalen.“
    „Ich weiß nicht, Sohn“, meinte Nevitta. „Mir scheint, wir machen sie schon heute – oder andere, die genauso

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