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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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hatten keine andere Wahl, als zu hoffen, dieses Ding in sich zu nähren, das nicht länger mehr Hoffnung, sondern Verzweiflung heißt.
    So wird es auch auf der Erde sein. Nur die Verkrüppelten und Unfähigen haben uns nicht vergessen. Der Krieg ist verloren, die Zeiten haben sich geändert. Wir sind weg, und wir wissen es. Die Freiheit ist weg, das weiß die Erde. Es gibt keine Hoffnung, weder für uns, noch für die Erde. Der Feind hat immer junge Leute, während wir hier niemanden haben, der uns ersetzen könnte.
    Der Aufzug hielt, Harmon stieg aus und durchquerte die Halle. Dann bemerkte er, daß jemand in einem der verschlissenen Stühle saß.
    Es war ein großer, strammer, irgendwie sanft aussehender Junge. Harmon wußte, daß er Mitte der Zwanzig sein mußte, obwohl es kaum zu glauben war. Er rekonstruierte: zwanzig Jahre lebten sie nun hier auf Centaurus, vier Jahre verbrachten sie im Raumschiff, und der Junge war vielleicht ein Jahr alt, als sie an Bord eilten. Er war jetzt also fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahre alt.
    In sich zusammengesunken saß er im harten Stuhl und starrte auf das Fleckchen Boden zwischen seinen Füßen. Die Mundwinkel zuckten. Einmal weiteten sich seine Augen, dann kniff er sie wieder zusammen. Was immer er dachte, drückte sich auf seinem Gesicht aus, und offensichtlich überstürzten sich seine Gedanken.
    Etwas muß bei ihm nicht stimmen, dachte Harmon, erschrocken über die Disziplinlosigkeit dieses Verstands. Irgendwo, irgendwie hatte er versagt, Kontakt mit der Welt aufzunehmen.
    „Hallo, Michael“, sagte er, und Präsident Wiremans Sohn schaute auf.
     
    *
     
    Er hatte dasselbe stumpfe braune Haar wie seine Mutter, ihre braunen Augen und ihr spitzes Kinn. Das einzige, was er von seinem Vater geerbt haben dürfte, war die Form seiner Ohren – die berühmte Krughenkel-Form, die Wireman eine persönliche Form gegeben hatte, beim Sohn aber etwas lächerlich wirkte.
    „Hallo, Mr. Harmon.“ Der Junge – es gelang Harmon nicht, einen Mann in ihm zu sehen – hatte eine farblose, unsichere Stimme. Er schaute ihn mit einer Art scheuer Freundlichkeit an. „Ist die Sitzung zu Ende? Ich sah Mr. Stanley und Mr. Genovese weggehen.“
    „Du hast nicht mit ihnen gesprochen?“
    Michael schüttelte unbehaglich den Kopf. „Nein.“
    Vielleicht hatten sie ihn ignoriert. Ein Gespräch mit ihm war nämlich alles andere als angenehm. Auch Harmon wäre schweigend vorbeigegangen – schuldbewußt vielleicht? – wäre dies nicht die letzte Möglichkeit eines Zusammentreffens gewesen.
    „Ja, Michael, die Sitzung ist aus. Aber Mr. Yellin und einige andere sind noch da.“
    „Oh, dann ist es wohl besser, ich gehe noch nicht hinauf.“
    Während Regierungssitzungen war er nie zu Hause. Als kleiner Bub, natürlich, hatte er nichts dabei verloren gehabt, und in den folgenden Jahren war seine Abwesenheit zur Gewohnheit geworden.
    Harmon, der mit den Wiremans gesellschaftlich nie verkehrte, hatte folglich auch sehr wenig von dem Jungen gesehen. Während der ersten Jahre im Exil war für Wireman und sein Kabinett so viel zu tun gewesen, daß er natürlich ganz im Hintergrund geblieben war. Harmon wußte nicht, wie er jetzt zu seinen Eltern stand. Aber er hatte den Eindruck, daß Michael seinen Vater enttäuschte und daß sich seine Kindheit größtenteils um die Mutter abgespielt hatte. Er erinnerte sich noch, wie Michael sich an Bord des Raumschiffes von einem Baby zu einem Jungen entwickelt hatte. Damals war er aufgeweckt und lebhaft gewesen – zu lebhaft vielleicht, denn ständig wollte er die ohnedies so kostbare Zeit seines Vaters in Anspruch nehmen. Sicherlich, das hatte sich geändert, oder war geändert worden.
    Jetzt sprach er mit centaurischem Akzent, und nichts wies auf seinen wirklichen Ursprung hin. Sogar die Kleidungsstücke trug er auf centaurische Art.
    „Gibt es etwas Neues?“ fragte Michael Wireman.
    Harmon dachte über eine Antwort nach. „Nun, vielleicht werdet ihr bald zur Erde zurückkehren.“
    „Sie meinen, die Centaurer wollen endlich etwas unternehmen?“
    „Sagen wir es so: sie werden helfen, euch selbst zu helfen.“
    Michael schaute ihn erstaunt an. „Werden Sie nicht bei uns sein?“
    „Nein, Michael, tut mir leid.“
    „Wollen Sie nicht mit uns kommen, Mr. Harmon?“
    „Ich …“ Harmon schüttelte den Kopf.
    „Geht Ihnen die Erde nicht ab? Wollen Sie sie nicht wiedersehen?“ Das Erstaunen in Michaels Stimme hatte sich in reine Ungläubigkeit

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