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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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verwandelt.
    „Um ehrlich zu sein, Michael …“
    „Sind Sie gerne hier? Mögen Sie diese Leute und ihre Art?“ Einmal in Schwung, ließ der Junge Harmon gar nicht zu Wort kommen. Er schien enthusiastisch und aufgeregt zu sein. Das war offensichtlich ein Thema, an dem er mehr als jeder andere interessiert war.
    „Ihre Art?“
    „Sie wissen, was ich meine. Sie sind grob, sie sind unhöflich … Sie sind so ganz anders als die Menschen auf der Erde.“
    Harmon atmete tief ein. „Weißt du so viel über die Erdenbürger, Michael?“
    Er wurde rot. „Nun, natürlich erinnere ich mich nicht an die Erde.“ Er beruhigte sich einen Augenblick. Dann jedoch erhitzte er sich in erhöhtem Maße. „Aber meine Mutter hat mir viel erzählt. Sie hat mir Fotografien gezeigt: von all den großen Gebäuden, den Museen, den Bibliotheken, dem Triumphbogen, von Genf, von Rom …“
    „Nun ja … Aber die Gebäude waren nicht größer als hier. Und es gibt einige ziemlich gute Museen in der Stadt.“
    „Ich weiß. Aber hier geht niemand in Museen.“
    „Nun ja …“ Harmon gab sich geschlagen. Welche Wirklichkeit konnte auch einen lebenslangen Traum ersetzen? Welche Worte, welche Überredungskünste konnten neben einem Gefühl bestehen?
    „Glaubst du wirklich, daß zwischen Centaurern und Erdenmenschen ein solcher Unterschied ist?“
    „Das muß sein!“ rief Michael Wireman aus. „Betrachten Sie nur ihre Geschichte. Sie kamen hierher, weil für sie auf der Erde kein Platz war. Sie waren entweder Versager oder Opportunisten. Anstatt zu versuchen, verantwortungsbewußte Mitglieder einer zivilisierten Welt zu werden, liefen sie davon.
    Was kann man von einer Gesellschaft erwarten, die sich aus Abkömmlingen solcher Leute zusammensetzt? Sie arbeiten, natürlich arbeiten sie, aber jeder schaut nur auf sein eigenes Wohl, ohne an seine Nächsten zu denken. Ist das ein Leben? Nur an sich selbst zu denken, die Welt mit lärmenden Maschinen anzufüllen und sonst nichts?
    Was haben sie geerbt? Welche Ideale haben sie? Welche Erziehung? Ja, einige sind nett. Einige kann man gernhaben. Einige sehen sogar ein, daß gewisse Dinge besser sein könnten – aber sie gehen in der Masse unter.“
    Michael Wiremans Gesicht glühte. Er schien nun darauf zu warten, daß Harmon mit ihm diskutierte. Wollte er vielleicht von seinen Überzeugungen abgebracht werden?
    Thomas Harmon schüttelte leicht den Kopf. Was sollte man mit diesem Einzelgänger anfangen?
    Und was soll ich machen? Ihm einige Zauberworte sagen und ihn damit ändern?
    Auf Grund seines Einfühlungsvermögens verstand Harmon plötzlich, was diese Persönlichkeit geformt hatte. Der Druck überwältigender Ereignisse hatte es verursacht, hatte nicht nur ihn geformt, sondern jedermann überwältigt, der für seine Erziehung verantwortlich war. Niederlage, nie eingestandene Niederlage, hatte ihn zu dem gemacht, was er war.
    „Michael …“
    Harmon unterbrach sich. Wollte er eben die Zauberworte sagen? Was waren eigentlich Zauberworte? In der Welt der Menschen gab es keine Zauberei. Da gab es Geschichte, Aufzeichnungen vergangener politischer Ereignisse. Dann gab es Psychologie, die innere Politik jedes einzelnen. Sozialwissenschaft: das Studium politischer Auswirkungen. Das alles weiß man von den Menschen; was man mit Menschen gemacht hat, was man mit ihnen noch tun kann. Und Politik, so hatte man ihm schon immer eingedrillt, war die Kunst des Möglichen. Was war möglich für Michael Wireman? Für Ralph Wireman? Für Thomas Harmon?
    „Michael …“
    „Ja, Mr. Harmon?“
    Was mache ich nur? Warum will ich unbedingt die Zauberantwort für uns alle finden, die es nicht gibt? Obwohl wir die alle gut gebrauchen könnten.
    „Michael …“, zum drittenmal.
    „Wollen Sie sich setzen, Mr. Harmon?“ fragte der Junge besorgt.
    „Nein. Nein, nein, Michael. Es geht mir schon gut …“ Er zitterte. Er konnte es nicht verhindern, sich abzuquälen, irgendeine Lösung dieser unlösbaren Probleme zu finden.
    Und dann, ganz plötzlich, sagte er: „Michael, würdest du mit mir hinaufgehen? Sofort?“
    „Hinauf?“
    „Ich – ich hatte einen Gedanken. Vielleicht hilft er deinem Vater … und mir, ein bestimmtes Problem zu lösen.“
    Harmon drehte sich um und eilte zum Aufzug, angetrieben vom Wunsch, den Gedanken in die Tat umzusetzen, ehe er, noch Zeit für Zweifel oder ein Umkehren hätte. Er konnte seiner Erregung nur mühsam Herr werden. Er hatte seinem Verstand ein Problem vorgelegt,

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