Tschoklet
Sergeant Vickers zwinkerte zu ihm herüber und brüllte dann: »Scout Squad, rührt euch! Weggetreten!« Die angetretenen Soldaten umringten sofort den Beförderten und gratulierten ihm.
Corporal Roebuck hatte noch schnell aus seinem Rucksack Ersatzschulterklappen herausgesucht und übergab diese feierlich: »Willkommen bei den Unteroffizieren!« Er klopfte ihm fröhlich auf die Schulter. »Gut gemacht. Wir sind stolz auf dich! Du darfst mich jetzt Tony nennen.«
Der neue Funker, Sergeant Amos T. Letchus, stand zuerst etwas abseits, kam jedoch bald dazu und klopfte Jonas auf die Schulter. Er wurde von den anderen noch gemieden, zum einen, da er schwarze Hautfarbe hatte, was in der US-Armee durchaus öfters vorkam, und zum anderen, weil er schon einen relativ hohen Unteroffiziers-Dienstgrad innehatte. Schwarze Unteroffiziere, besonders Technical Specialists, waren in der weiß dominierten US-Armee sehr gewöhnungsbedürftig.
Letchus war ein dürrer, großgewachsener Reservist aus Brooklyn, New York. Er hatte sich schon 1940 als Marinefunker verdient gemacht, war aber kurz nach seinem ersten Einsatz bei einem Unfall schwer verletzt worden. Nachdem er fast drei Jahre zu Hause und in verschiedenen Krankenhäusern verbracht hatte, in denen er nebenbei sein Diplom als Radio Specialist gemacht hatte, wurde er im April 1944 wieder reaktiviert und als Ausbilder für mobile Funker für die Operation Overlord (Landung in der Normandie) am 06.06.1944 herangezogen. Er hatte außerdem während seiner Genesung in New York eine emigrierte Jüdin aus Frankreich kennengelernt und deren Sprache vorzüglich erlernt.
Aufgrund dieser Sprachkenntnisse und dem nun möglichen Mit- oder Abhören von Funksprüchen der französischen Armee und besonders der Resistance, war er acht Monate später durch General Patton mit dem Silver Star für besondere Einsätze ausgezeichnet worden. Als leitender Funker und Ausbilder hatte Colonel Goddard den schlaksigen Letchus nach Schwetzingen geholt, sozusagen als Notlösung, bis die zerstörten Telefonanlagen zwischen den Einheiten und dem Hauptquartier wieder funktionierten. Ehe die ehemals deutsche Kaserne aber für amerikanische Einheiten zur Verfügung stand, sollte noch einige Zeit vergehen. Auch war man sich über den Namen der neuen Kaserne nicht einig. Solange diese Entscheidung offen war und noch keine festen Einheiten in die Kaserne eingezogen waren, hatte der Colonel dem Funker erlaubt, Edwards Einheit bis Karlsruhe zu unterstützen. Für den ermordeten Private Preston hatte Captain Edwards leider keinen Ersatz bekommen.
Im Anschluss an die Beförderung und ein opulentes Frühstück mit dem Kommandeur setzten die Männer um Captain Edwards ihren Einsatz fort. Der neue Funker nahm im Dodge Platz, das Kopfhörerkabel des ersetzten Funkgerätes hatte er so verlängert, dass er während der Fahrt Funksprüche mithören konnte, ohne sich vor das Gerät setzen zu müssen. Jonas musste sich mit Piece unter die neue Abdeckplane des Dodge setzen, die beiden hatten sich immer gut verstanden. Somit war die Funkanlage nur durch die lange Antenne erkennbar.
Private Boone bekam von all diesem nichts mehr mit. Bei der Einschließung in den ehemaligen Kühlraum hatte der wachhabende Soldat es unterlassen, ihn nach seinen Habseligkeiten zu durchsuchen. Boone hämmerte noch stundenlang an die Metalltür und bat immer wieder darum, Licht in seiner Zelle zu machen. Er könne es nicht aushalten, in dunklen Räumen zu sitzen. Der Soldat hatte mehrmals an die Stahltür geschlagen und »Ruhe!« und »Schnauze halten!« gebrüllt. Als es nachts still wurde, war die Wache davon ausgegangen, dass der Gefangene endlich eingeschlafen sei.
Just in dem Moment, als die Scouts das Haupttor durchfuhren, öffnete der frisch abgelöste Wachsoldat die Sichtluke zum Kühlraum. Durch das einfallende Tageslicht sah er zuerst nur den massiven Körper des Private in der Mitte des Raumes. Als er ihn anrief und keine Reaktion erfolgte, schaltete er die Innenbeleuchtung der Zelle an und erschrak. Boone hatte mit dem Blut seiner verletzten Hand die Wände mit den Worten:
N I C H T S C H U L D I G !
beschmiert und sich dann mit dem Gürtel an den vorhandenen Fleischhaken an der Decke erhängt.
Master Sergeant Wilson war der Erste, der von dem Selbstmord des Private Boone erfuhr. In diesem Moment fiel ihm auch siedend heiß wieder ein, dass in der anderen Uniformjacke noch das Notizbuch steckte, welches ihm Corporal Jonas überreicht
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