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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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versaut! Wilson möchte sich selbst mit Ihnen unterhalten. Er sagte auch etwas von einem Notizbuch.«
    »Notizbuch?« Edwards kratzte sich am Kopf,
    »Ach ja, das Notizbuch von Boone. Letchus, ich will ihn sofort sprechen!«
    Der Offizier lief mit dem Funker zurück zur Ladefläche des Dodge. Kurze Zeit später hatte er ein langes Gespräch mit dem Master Sergeant. Edwards Miene verdüsterte sich zusehends.
    Die anderen Soldaten standen um die Motorhaube herum und konnten nicht glauben, was sie da soeben gehört hatten. Sie diskutierten lautstark miteinander. Nach wenigen Minuten kam Letchus zurück und brüllte: »Ruhe! Bei dem Geschrei kann der Captain gar nichts verstehen! Ihr schnattert ja wie Waschweiber!«
    Jonas blickte Letchus betrübt an. »Bull hatte immer Angst im Dunkeln. Panische Angst. Ist euch nie aufgefallen, dass er sein Zelt nachts immer unter den brennenden Tarnlichtern des Dodge aufgebaut hatte?«
    Betroffen sahen sie sich alle an. Letchus lehnte sich an die Haube der M3 und zündete sich eine von seinen dünnen, hellbraunen Zigarillos an.
    Roebuck sprach als Erster: »Was passiert denn jetzt?«
    »Nichts!« Letchus blies den aromatischen Rauch in die Luft.
    »Wir warten, bis er fertig ist. Vielleicht sollten wir hier mal jemanden fragen, wo wir sind. Wer von euch kann Deutsch?«
    Er schraubte seine Wasserflasche auf.
    »Edwards kann deutsch sprechen«, bemerkte Jonas. »Er hat bis jetzt alle Kontakte mit den Deutschen geführt.«
    Letchus schüttelte den Kopf. »Wollt ihr alles eurem Chef überlassen? Er hat sich seine Lorbeeren doch schon verdient. Also, wer kann hier noch Deutsch?«
    Letchus erblickte nur fragende Gesichter.
    »Ein paar Brocken?« Er nahm einen kräftigen Schluck Wasser.
    Schweigen.
    »Ich«, flüsterte Roebuck und grinste verlegen. »Gutten Tag, Fraulein. Zigarette, Fraulein? Schene Augen, Fraulein! Auf Wiedersejin. Danka scheen!«
    Letchus verdrehte die Augen und winkte enttäuscht ab. »Jungs, ihr seid hier seit Monaten in Deutschland und könnt euch nicht verständlich machen? Dort auf dem Feld sind nur Frauen!« Er machte eine präsentierende Handbewegung. »Ihr werdet doch in der Lage sein, ein Mädchen anzusprechen! Schaut mal da drüben! Blonde Haare und höchstens fünfundzwanzig Jahre alt! Seid ihr blind?«
    Fünf Köpfe drehten sich in eine Richtung.
    Die Feldarbeiterinnen hatten inzwischen teilweise wieder angefangen, den Spargel zu stechen. Einige standen immer noch unschlüssig herum, weil sie sich nicht sicher waren, was die Soldaten hier machten. Unter ihnen war auch eine junge Frau mit kurzen, blonden Haaren. Sie hatte sich zum Spargelstechen eine abgenutzte Stoffhose und einen alten Pullover angezogen, die Haare unter einem rot geblümten Kopftuch verborgen. Die anderen Frauen waren schon früh morgens mit ihren Fahrrädern und einem Karren, in dem die Kinder saßen, gekommen, nur sie war mangels Transportmittel zu Fuß unterwegs. Unsicher stand sie zwischen den Wällen, ein langes, abgenutztes Küchenmesser in der einen, das staubige Holzreibebrett in der anderen Hand. Ihr Stiefvater, der Pfarrer, hatte sie schon öfters vor Soldaten gewarnt, in den Predigten hatte er den Frauen immer wieder gesagt, sie sollen sich vor den Franzosen schützen, wenn sie Richtung Karlsruhe fahren würden. In Graben, Neudorf und Liedolsheim wäre es schon zu grausamen Vergewaltigungen gekommen. Die dunkelhäutigen, marokkanischen Einheiten würden über alles herfallen, was nicht schnell genug weg wäre. ›Christine‹, hatte er gesagt, ›pass auf, dass niemand sieht, wie jung du bist. Hier im amerikanischen Sektor kann man auch nicht mehr sicher sein, weil die Franzosen das mit der Grenze nicht so genau nehmen.‹
    Christine konnte jetzt nur abwarten. Schon drei Wochen hatte sie bei der Spargelernte geholfen, um wenigstens für das Abendessen ein paar schief gewachsene Sprösslinge oder auch mal ein paar Kartoffeln zu bekommen. Der Bauer Dollmann war immer nur darauf bedacht, sein Gemüse und momentan auch den Spargel möglichst teuer in Schwetzingen zu verkaufen. Dass die eigenen Nachbarn nichts zu essen hatten, merkte er nicht. Er verkaufte alles, bekam viel Geld und kaufte davon noch mehr Land, um noch größere Einnahmen zu haben. Seit Jahren ging das schon so. Einige ganz Voreilige hatten sich bei den alliierten Besatzern über die Zustände beschwert, hatte Christine erfahren, es wurde aber nichts unternommen. Vor einigen Tagen waren bereits amerikanische Soldaten aus

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