Tschoklet
entgegen. Jonas hatte plötzlich eine verrückte Idee. Er griff nach dem übrig gebliebenen Pfahl, zog ihn wieder zu sich heraus, hielt ihn wie eine Lanze vor sich und trat einige Schritte zurück. Dann machte er einige schnelle Schritte, stemmte den Pfahl in den Boden und schwang sich wie ein Stabhochspringer an dem Holz nach oben in den Raum hinein. Der Holzpfahl blieb hinter ihm im Boden stecken. Unsanft landete er mit den Füßen voraus auf der Säge und seinem Gestell, die Glasscherben des Fensters hatte er glücklicherweise nicht berührt.
Er rappelte sich auf und zog den Pfosten zu sich hinein, ehe dieser nach draußen umkippen konnte. Dann richtete er das Gestell auf und versuchte es unter die Bombe zu stecken, was aber misslang. Die Bombe ragte schon zu weit heraus, es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis sie aus der Decke rutschte. Jonas sah sich hastig um. In einer etwas weiter hinten liegenden Ecke des Raumes, der vermutlich mal ein größerer Besprechungsraum oder Ähnliches gewesen war, lagen einige Stühle zu einem grotesken Haufen aufgeschichtet. Er rannte hin und riss mit einem Ruck einen Stuhl aus dem Haufen heraus, der Rest brach sofort in sich zusammen. Er stellte den Stuhl direkt unter die Bombe und befestigte das Gestell mit den zwei Beinen daran, dann griff er nach der Säge und begann, wie ein Wahnsinniger an dem verbliebenen Türrahmen der Doppeltür zu sägen. Als er fast durch war, brach das Sägeblatt ab und die Säge glitt ihm aus der Hand. Sie fiel klappernd nach draußen ins Gras. Es knackte erneut in der Decke, begleitet von einem lauten Knirschen.
Die Bombe fiel herab! Er schlug mehrfach mit dem Hammer auf den angesägten Türrahmen ein, der sich jedoch nur gering bewegte. Er trat noch einmal mit letzter Kraft verzweifelt dagegen, doch es nutzte nichts.
Die britische 225-Pfund-Fliegerbombe krachte von oben auf den Stuhl herunter und rollte auf den zwei Pfählen in Richtung Fenster. Jonas sprang wie ein Torwart in Deckung und machte sich lang. Nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht rollten die Eisenflügel an ihm vorbei. Dann schlug der rotierende Metallbehälter knapp neben dem Zünder gegen den angesägten Fensterrahmen und die Flügel drehten sich durch den Rahmen ins Freie. Wie in Zeitlupe kippte die Bombe mit dem hinteren Ende voraus aus dem Fenster. Jonas konnte sich auf dem Boden des Zimmers gerade noch etwas aufrichten, den Hammer in beiden Händen halten und die Luft anhalten. Unfähig, auch nur eine weitere Bewegung zu machen, sah er, wie sich Edwards und Wilson hinter dem Fernrohr auf den Boden warfen und die Hände über den Kopf hielten. Die Bombe verschwand langsam rotierend aus seinem Sichtbereich. Jeden Moment musste die Detonation mit Knall und Feuer erfolgen, doch es blieb ruhig.
Putzreste rieselten in der Stille von der Decke und bedeckten die Stoffsitzfläche des Stuhles mit einer feinen weißen Staubschicht. In der Decke prangte ein großes Loch, sodass man die Deckenlampe in der darüberliegenden Etage sah.
Jonas kroch auf allen vieren nach vorne und sah außen an der Fassade hinunter. Die Bombe steckte mit den Flügeln im weichen Boden, das vordere Ende mit dem Zünder ragte senkrecht in die Luft. Das selbst gezimmerte Holzgestell klemmte verkehrt herum darauf und hinderte sie am Umkippen.
Private Jonas seufzte laut, setzte sich endgültig wieder auf seinen Hosenboden, zog eine halb abgeknickte und platt gedrückte Zigarette aus der Brusttasche seiner Uniformjacke und zündete sie sich an. Er hatte es geschafft!
Edwards und Wilson hatten aus der Entfernung alles mit angesehen, sie konnten jede seiner Bewegungen mit dem Monokular verfolgen. Wilson gab alles, was er sah, wie ein Sportmoderator an Edwards weiter, der mit nervösen Fingern eine Zigarette nach der anderen rauchte. Der Master Sergeant hatte ihm unter vier Augen erzählt, dass das Projektil, das sie im Funkgerät gefunden hatten, von einem neuartigen, erst seit ganz kurzer Zeit im Einsatz befindlichen Scharfschützen-Gewehr stammte, dem Remington M1903A4. Dieses Gewehr war deshalb so bemerkenswert, weil es durch den fest an der Mündung verbauten Schalldämpfer praktisch geräuschlos schießen konnte. Es sei nur ein ›Plopp‹ zu hören. Von Nachteil war immer noch die nur kurze Schussdistanz von maximal dreihundert Yards, also rund zweihundertachtzig Metern. Von diesem Gewehr waren in den letzten Wochen nur vierzig Stück testweise an die amerikanische Armee in Deutschland ausgegeben
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