Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
Vom Netzwerk:
worden.
    Er war der Meinung, dass man den Schützen auf dem Acker hätte eigentlich sehen müssen, als er sich zurückzog, oder er war ein Meister der Tarnung, was Edwards sofort ausschloss. Master Sergeant Wilson war jetzt voll in seinem Element, er erklärte Edwards noch das neue Fernrohr, welches sie gerade benutzten, sämtliche technischen Details zu der Linsenoptik und alle Informationen, die sie von der Royal Air Force zu der Fliegerbombe bekommen hatten.
    Als Edwards den vor sich hin redenden Wilson dann durch eine Zwischenfrage unterbrach und wissen wollte, ob denn hier in dem Gebiet solch ein Spezialgewehr im Umlauf sei, wurde er mit einem tadelnden Blick durch den Waffenspezialisten bedacht. Leider konnte sich Wilson nicht erinnern, wer so eine Waffe bekommen habe, da es nur noch wenige Scharfschützen in der amerikanischen Zone gäbe. Er würde sich aber mit einem guten Freund von den Marines in Verbindung setzen, der wüsste das, da angeblich alle Scharfschützen nur noch von dem USMC gestellt wurden. Wilson setzte danach seine Rede über die technischen Gegebenheiten eines Bombenabwurfs in Bezug auf Windrichtung, Wetter, Außentemperatur und so weiter fort, ohne eine Reaktion von Edwards abzuwarten.
    Erst als die Bombe bei Jonas aus der Decke rutschte und aus dem Fenster fiel, warf er sich in Deckung und verstummte. Einerseits konnte Edwards froh sein, dass endlich Ruhe war, andererseits erwartete er eine heftige Explosion des Gebäudetrakts mit anschließendem Großbrand in der Tankanlage im Gebäude nebenan. Edwards sah aus seinem Blickwinkel lediglich den hastig fortgeworfenen Zigarettenstummel, der knapp neben seinem Kopf im Gras schwelte, und das Unterteil des Stativs. Vor ihm lag der Master Sergeant im Gras und drückte seine beiden Lederstiefel nach unten, so wie man es in der Grundausbildung beigebracht bekam. Während Edwards langsam den Kopf drehte und jeden Moment die Detonation der Fliegerbombe erwartete, sah er, wie Jonas vorsichtig durch das Fenster herauskletterte und mit den Händen in den Hosentaschen die umgestülpte Bombe besichtigte und den Sitz des Holzgestells begutachtete. Dann schlenderte er pfeifend zu den beiden im Gras liegenden Vorgesetzten zurück.

Kapitel 6
     
    Samstag, 26. Mai 1945
     
    »Scout Squad, stillgestanden! Private Jonas, vortreten!«
    Mitten auf dem Platz, direkt vor dem Offizierskasino, hatte Edwards seine Leute am nächsten Morgen antreten lassen. Auf persönlichen Wunsch des Captains sollte die Beförderung ohne ›großes Tamtam‹ ablaufen. Deswegen waren lediglich ein paar dienstfreie Soldaten und das Kasernen-Reinigungskommando Zeugen der Zeremonie. Der Kommandeur stand hinter dem offenen Fenster seines Dienstzimmers und sah sich alles von oben an. Wie ein Vater, der die Aufsicht über seine Söhne hatte, mit in die Hüften gestemmten Fäusten, lächelte er mit gönnerhaftem Blick zu den Scouts herunter. Hätte er die Truppe doch antreten lassen und nicht auf Edwards Bitte hören sollen? Für ihn gab es nichts Schöneres, als perfekt gedrillte Kompanien, die mit ihren chromglänzenden Helmen paradierten. Dafür war es leider zu spät.
    Jonas hatte sich auf Geheiß des Colonel frisch gebadet und komplett neu eingekleidet. Man hatte ihm sogar eine Offiziersunterkunft für die Nacht zur Verfügung gestellt. Die Aktion mit der Fliegerbombe hatte sich in der Kaserne wie ein Lauffeuer verbreitet. Knapp zehn Minuten später hatte das Entschärfungskommando vom US Marine Corps den Zünder ausgebaut, gesichert und die Bombe abtransportiert. Von allen Seiten kamen Glückwünsche an Edwards und besonders an Jonas, der die Geschichte abends mindestens fünfzig Mal erzählen musste, aber immer wieder betonte, dass im Prinzip bei der Aktion alles schiefgegangen war. Doch das wollte keiner hören, alle Soldaten, sogar die Offiziere hatten ihm die Hände geschüttelt oder anerkennend auf die Schulter geklopft. Der Colonel versprach, sich für die Verleihung eines Ordens stark zu machen. Sogar der verletzte Fahrer des Kommandeurs humpelte herbei, um das Wunderkind zu sehen.
    Private Jonas trat stolz aus der Reihe der Soldaten hervor, bis auf wenige Schritte an Captain Edwards heran.
    »Private Jonas, in meiner Eigenschaft als Offizier der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika befördere ich Sie hiermit zum Corporal. Treten Sie zurück, Corporal Jonas!«
    Mit einem breiten Grinsen im Gesicht machte dieser eine Kehrtwendung und trat wieder zurück in die Reihe.

Weitere Kostenlose Bücher