Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
geplant und realisiert worden: ein Warnsystem, das von der Messung des seismischen Ereignisses über die Risikokalkulation für die betroffenen Gebiete bis hin zum «Endnutzer» führt, nämlich zur Bevölkerung an den gefährdeten Küsten. Folgende Komponenten spielen zusammen:
1) Die seismographische Messung. Da sich seismische Wellen viel schneller ausbreiten als die Tsunamiwellen, erfolgt die erste Warnung über die seismographische Messung. Ein weltweitesNetz seismischer Stationen überwacht die Erdoberfläche vollautomatisch und rund um die Uhr. Erdbeben werden innerhalb von zwei bis zweieinhalb Minuten erkannt, das Epizentrum lokalisiert und die Stärke bestimmt. Damit liegen die notwendigen ersten Anhaltspunkte für die mögliche Entstehung einer Tsunamiwelle vor. Nach dem Tsunami von 2004 wurde in Indonesien ein seismisches Beobachtungsnetz mit 160 Stationen aufgebaut, um zuletzt mit über einhundert weiteren Stationen rund um den Indischen Ozean die Überwachung zu sichern.
2) GPS-Messung. Die entscheidende Neuerung des deutsch-indonesischen Frühwarnsystems gegenüber den bestehenden Frühwarnsystemen im Pazifik besteht in der zusätzlichen Vermessung durch Satellitenbeobachtung: Die punktgenaue GPS-Messung zeigt, wo die stärksten Verschiebungen, Senkungen und Hebungen der Erdkruste auftreten. Dadurch entsteht ein Gesamtbild von der Verwerfung und ihren Folgen, das im Falle eines Tsunamis die notwendige Simulation und Modellierung zulässt – dank neu entwickelter Computersoftware dauert dies wiederum nur Sekunden.
Tsunami-Frühwarnungen können durch diese Messtechnologie innerhalb von fünf bis zehn Minuten erstellt und ausgegeben werden. Küstenabschnitte, die sich mehr als 50 Kilometer vom Erdbebenherd befinden, haben dadurch eine reale Chance zur Vorbereitung und Evakuierung der Bevölkerung.
3) Das marine Messnetz ergänzt die landgestützte seismographische Messung und GPS-Bestimmung. Bis 2011 bestand es aus einer Kombination von Drucksensoren am Meeresboden mit Bojen an der Wasseroberfläche, die wiederum mit Küstenpegelstationen verbunden sind. Am 14. März 1979 wurde erstmals ein Tsunami durch einen Drucksensor auf dem Ozeanboden registriert. Dieser neue Schritt in der Früherkennung führte zur gezielten Entwicklung eines Druckmesssystems, das 1995 unter dem Namen DART (Deep-Ocean Assessment and Reporting of Tsunamis) vor der Küste Oregons in Betrieb genommen wurde. Diese Sensoren können Tsunamis mit einer Amplitude von nureinem Zentimeter aus einer Tiefe von bis zu 6000 Metern erfassen. 2008 hatten die USA 39 DART-Stationen im Pazifik, Atlantik und der Karibik installiert; die Verbindung aus Drucksensoren und Oberflächenbojen diente der Entwicklung des Frühwarnsystems im Indischen Ozean anfangs als Vorbild.
Der Sensor am Ozeanboden misst alle fünfzehn Sekunden den Druck der Wassersäule, die auf ihm lastet; ab einem bestimmten Schwellenwert erfolgt die Messung und Weiterleitung der Daten sofort, also unabhängig vom üblichen Messintervall. Dabei werden geringste Schwankungen des Meeresspiegels erfasst. Die gemessenen Daten werden zur Boje an der Meeresoberfläche geleitet und von dort aus ans zentrale Warnzentrum weitergeleitet.
Die gelben Bojen an der Wasseroberfläche, die bis 2011 zum Frühwarnsystem vor Indonesien gehörten, dienten einerseits als Relaisstation für die Datenübertragung vom Druckmesser am Meeresboden zum Satelliten, der wiederum die sofortige Kommunikation mit dem Warnzentrum an Land ermöglichte. Andererseits arbeiteten sie auch als eigenständiges Messgerät zur Tsunami-Erfassung: Ausgerüstet mit einer GPS-Antenne, registrierten sie laufend den Meerespegel. Bei einem Erdbeben bestimmten sie den vertikalen und horizontalen Bodenversatz und erfassten präzise den damit verbunden Meerespegelanstieg. Die Bojen erwiesen sich jedoch als sehr störanfällig: Im Herbst 2011 gingen Berichte durch die Medien, wonach die deutschen Bojen durch Fischer, die ihre Boote an den kostspieligen High-Tech-Bojen festmachten und sie dabei beschädigten, ausgefallen seien. Da die Bojen bei einem Warnsystem in unmittelbarer Küstennähe keine unverzichtbare Komponente sind, wurden sie im deutsch-indonesischen Frühwarnsystem bereits im Sommer 2011 aufgegeben. Denn die zuverlässige Basis des marinen Messsystems sind die Küstenpegelmessungen, die feinste Veränderungen des Wasserpegels erfassen: Sie werden permanent an Stationen vor der Küste, häufig auf vorgelagerten
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