TTB 106: Der dritte Planet
streichelte die Schachtel wie ein Lüstling das Bein einer Ballettänzerin.
»Essen!« murmelte er dabei verzückt vor sich hin.
Dann breitete er das Tuch rasch wieder über die drei Gegenstände, als fürchte er, daß der Anblick ihm den Verstand rauben könne. Er sah zu Professor Wade hinüber und holte tief Luft.
»Essen!« wiederholte er.
Wade lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lächelte peinlich berührt. Dann schüttelte er verständnislos den Kopf.
»Phantastisch«, sagte er leise zu sich selbst.
Er senkte den Kopf, um dem Blick des Alten nicht begegnen zu müssen. Als er wieder aufsah, beobachtete er, wie Castlemould das Tuch an einem Zipfel hochgehoben hatte. Er wirkte dabei wie ein junger Mann, der zum erstenmal eine Striptease-Show sieht.
»Herr Kommissar ...«
Der Alte fuhr zusammen und rang offensichtlich nach Fassung.
»Ja, ja«, antwortete er geistesabwesend.
Wade erhob sich und ging an den Schreibtisch hinüber. Er nahm das Tuch auf, breitete es auf der Tischplatte aus und legte die Gegenstände darauf. Dann knotete er die vier Zipfel zusammen und nahm das Bündel in die Hand.
»Ich möchte auf keinen Fall dazu beitragen, daß die guten Sitten Ihrer Gesellschaft verdorben werden«, stellte er fest. »Es ist wohl am besten, wenn ich mich kurz umsehe und dann wieder in meine Zeit zurückkehre. Ich werde auch mein ... das hier wieder mitnehmen.«
Das faltige Gesicht des Alten verzerrte sich angstvoll. »Nein!« rief Castlemould aus.
Wade warf ihm einen fragenden Blick zu. Der Kommissar hätte sich am liebsten nachträglich die Zunge abgebissen.
»Sie dürfen uns nicht so rasch verlassen, wollte ich sagen«, erklärte der Alte. »Schließlich ...« Seine abgezehrte Hand beschrieb eine Geste, die einladend wirken sollte. »Sie sind selbstverständlich mein Gast. Kommen Sie, wir fahren zu mir. Dort können wir etwas ... äh, eine kleine Erfrischung zu uns nehmen.«
Er räusperte sich energisch. Dann stand er auf und ging um den Schreibtisch herum auf Wade zu. Er klopfte ihm freundlich auf die Schulter, wobei er sein Gesicht zu einem abscheulichen Grinsen verzog. Etwa wie ein Schakal, der gastfreundlich sein möchte.
»Meine Bibliothek steht zu Ihrer Verfügung, wenn Sie sich über unser Jahrhundert informieren wollen«, bot er an.
Wade antwortete nicht. Der Alte sah sich schuldbewußt um.
»Aber Sie ... ich meine, Sie sollten Ihr Bündel nicht hierlassen«, fügte er hinzu. »Nehmen Sie es lieber mit. Sicher ist sicher.«
Er kicherte vertraulich. Wade warf ihm einen mißtrauischen Blick zu. Castlemould wurde deutlicher. »Ich gebe es nicht gerne zu«, meinte er, »aber heutzutage kann man seinen eigenen Untergebenen nicht mehr trauen. Unter Umständen würde es die Moral der gesamten Abteilung untergraben. Das da, meine ich.«
Der Hochkommissar sah das Bündel in Wades Hand mit gekünstelt gleichgültigem Blick an. Er räusperte sich nochmals.
»Man weiß nie, was passieren könnte«, erklärte er. »Wissen Sie, manche Menschen sind fürchterlich unzuverlässig in diesen Dingen.«
Er erweckte damit den Eindruck, als sei ihm dieser abscheuliche Gedanke erst eben durch den Kopf gegangen, dem dergleichen verachtenswerte Überlegungen völlig fremd waren.
Er ging auf die Tür zu, um damit jede Diskussion über seinen Vorschlag unmöglich zu machen. Seine knochigen Finger drückten die Klinke nach unten. »Warten Sie hier auf mich«, sagte er. »Ich lasse nur noch Ihren Entlassungsschein ausstellen.«
»Aber ...«
»Bitte, bitte, nichts zu danken, es ist mir ein Vergnügen«, unterbrach Castlemould ihn rasch und verschwand im Flur.
Professor Wade schüttelte den Kopf. Dann griff er in seine Manteltasche und holte einen Riegel Schokolade hervor.
»Das darf ich niemand zeigen«, meinte er zu sich selbst, »sonst läßt der Alte mich glatt an die Wand stellen.«
*
Castlemould wandte sich an Wade, nachdem sie sein Haus betreten hatten. »Hier, lassen Sie mich das Bündel nehmen. Wir werden es in meinem Schreibtisch verstauen.«
»Nein, lieber nicht«, gab der Professor zurück und verbarg nur mühsam ein Lächeln. »Vielleicht wäre es eine zu große ... Versuchung.«
»Für wen, etwa für mich? « rief Castlemould aus. »Haha, das ist aber lustig!« Er hielt das Bündel des Professors mit einer Hand fest.
»Wissen Sie, was wir tun könnten?« unternahm er einen letzten Vorstoß. »Wir gehen in mein Arbeitszimmer, und ich bewache Ihr Bündel, während Sie sich aus meinen
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