TTB 106: Der dritte Planet
du meinst ja, daß ich mir alles nur ausgedacht habe.
Sie war in der Tür stehengeblieben und war jetzt gar nicht mehr so schlau. Sie sagte kein einziges Wort. Sie sah nur das Zimmer an. Sie fuhr zusammen, als ich sie am Arm faßte. Komm schon endlich herein, damit ich die Tür zumachen kann, sagte ich.
Ich setzte mich auf das Bett und sagte, das ist Mamas Bett, sieh nur wie weich es ist. Sie sagte nichts. Angsthase, sagte ich. Ich bin aber keiner, sagte sie, wie sie es immer tut.
Ich sagte, du mußt dich auch auf das Bett setzen, wie willst du denn sehen, daß es weich ist, wenn du dich nicht daraufsetzt. Sie setzte sich neben mich. Ich sagte, fühlst du wie weich es ist. Riechst du wie es duftet.
Ich schloß die Augen, aber irgendwie war es nicht so schön wie sonst. Weil Mary Jane dabei war. Ich sagte, hör auf mit den Händen über die Bettdecke zu streichen. Du hast aber gesagt, daß ich es tun soll, sagte sie. Hör auf damit, sagte ich.
Siehst du, sagte ich und zog sie an der Hand in die Höhe. Das ist der Toilettentisch. Ich ließ sie nicht los bis wir davorstanden. Sie sagte, laß meine Hand los. Alles war so ruhig und wie sonst immer. Ich fühlte mich unbehaglich. Weil Mary Jane hier war. Weil wir in Mamas Zimmer waren und Mama hätte es bestimmt nicht gern, daß Mary Jane hier ist.
Aber ich wollte ihr trotzdem alles zeigen. Ich zeigte ihr den Spiegel. Wir sahen beide hinein und sahen uns gegenseitig. Sie sah ganz weiß aus. Mary Jane ist ein Angsthase, sagte ich. Bin ich nicht, bin ich nicht, sagte sie und außerdem ist es sonst in keinem Haus so düster und totenstill. Und überhaupt riecht es hier nicht gut, sagte sie.
Ich wurde böse auf sie. Nein, es riecht nicht schlecht, sagte ich. Doch, sagte sie, du hast es selbst einmal gesagt. Ich wurde noch böser. Es riecht wie Zucker, sagte sie. In dem Zimmer deiner Mama riecht es wie kranke Leute.
Das darfst du nicht sagen, daß es im Zimmer meiner Mama wie kranke Leute riecht, sagte ich zu ihr.
Ach was, du hast mir gar kein Kleid gezeigt und du lügst, sagte sie, hier ist bestimmt kein Kleid. Mir wurde plötzlich ganz heiß, deshalb riß ich sie an den Haaren. Ich werde es dir zeigen, sagte ich, du wirst das Kleid meiner Mama zu sehen bekommen und nenne mich lieber keine Lügnerin sonst geht es dir schlecht.
Ich ließ sie stehen und holte den Schlüssel von dem Haken im Kleiderschrank. Ich kniete nieder. Dann öffnete ich die Kiste mit dem Schlüssel.
Mary Jane sagte, puh das riecht wie ein Abfallhaufen.
Ich fuhr ihr mit den Fingernägeln durch das Gesicht und sie trat einen Schritt zurück und wurde böse auf mich. Du darfst mich nicht kratzen, sagte sie und war dabei ganz rot. Ich werde meiner Mutter sagen, was du getan hast, sagte sie. Und überhaupt ist das kein weißes Kleid, sondern es ist schmutzig und häßlich, sagte sie.
Es ist nicht schmutzig, sagte ich. Ich sagte es so laut, daß es ein Wunder war, daß Großmutter nicht davon aufgewacht ist. Ich holte das Kleid aus der Kiste. Ich hielt es hoch, um ihr zu zeigen wie weiß es ist. Es fiel knisternd auseinander und der Saum reichte bis auf den Teppich.
Es ist doch weiß, sagte ich, ganz weiß und sauber und aus Seide.
Nein, sagte sie und war immer noch böse auf mich und rot, es hat ein Loch. Ich wurde immer böser. Wenn meine Mama hier wäre, würde sie es dir zeigen, sagte ich. Du hast ja gar keine Mama, sagte sie ganz häßlich. Ich hasse sie.
Ich habe doch eine. Ich sagte es ganz laut. Ich zeigte mit dem Finger auf Mamas Bild. Ach was, wer kann in diesem dummen finsteren Zimmer schon etwas sehen, sagte sie. Ich gab ihr einen festen Stoß und sie fiel gegen den Schreibtisch. Da sieh selbst, sagte ich böse, sieh dir das Bild an. Das ist meine Mama und sie ist die schönste Dame der Welt.
Sie ist häßlich und sie hat komische Hände, sagte Mary Jane. Das ist nicht wahr, sagte ich, sie ist die schönste Dame der Welt.
Nein, nein, sagte sie, das stimmt nicht, denn sie hat vorstehende Zähne.
An alles Weitere erinnere ich mich nicht mehr. Ich glaube, daß das Kleid sich in meinen Armen bewegt hat. Mary Jane schrie etwas. Ich weiß nicht mehr was es war. Es wurde dunkel und die Vorhänge waren zugezogen, glaube ich. Ich konnte nichts mehr erkennen. Ich konnte nichts mehr hören, als vorstehende Zähne, komische Hände, vorstehende Zähne, komische Hände, obwohl niemand es sagte.
Dann war noch etwas anderes, denn ich glaube, daß ich eine Stimme gehört habe, die sagte, laß nicht
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