TTB 108: Die Pest kam von den Sternen
Zugegeben, die Krankheit hatte sich über den ganzen Körper ausgebreitet, aber es gibt andere Krankheiten, die zugleich verschiedene Organe angreifen. Es ist also nur die Kombination dieser Faktoren, die neu ist.«
Sam nahm den heißen Behälter, den Nita ihm reichte, und füllte seine Tasse. »Ihre Worte klingen hoffnungsvoll. Ich hatte bereits die Vision einer Seuche, die aus dem Weltall kommt und sich über die ganze Erde ausbreitet.« Nachdenklich krauste er die Stirn. »Was ist mit den Vögeln? Wie passen sie in Ihre Theorie?«
»Wir wissen noch nicht, ob sie hineinpassen. Sie können dieselbe Krankheit haben – oder eine verwandte. Haben sie eine verwandte Krankheit, so wäre es eine große Hilfe, wenn noch jemand an dem Virus erkrankte, das Rand das Leben kostete. Dann wären wir in der Lage, einen Impfstoff herzustellen oder sogar vorbeugende Medikamente, die eine Übertragung der Krankheit ausschließen. Ich wünschte, ich könnte sehen, wie weit die Arbeit im Labor vorgeschritten ist.«
»Ich wüßte es auch gern. Finden wir uns aber damit ab, daß wir noch eine Weile hierbleiben müssen. Sie sind die Pathologin, Sie haben also genügend Arbeit. Für einen Assistenzarzt bleibt wenig zu tun. Ich denke, ich werde ein paar Freunde im Hospital anrufen, um zu erfahren, was sich draußen in der Welt tut.«
Nita war den ganzen Morgen in dem kleinen, aber vollständig ausgerüsteten Labor tätig, das zur Isolierstation gehörte. Als sie gegen Mittag endlich eine Pause einlegte, fand sie Sam über eine Karte gebeugt, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Er winkte ihr zu.
»Kommen Sie, sehen Sie sich das an! Hier ist ganz Long Island – hier der Kennedy Airport. Das Weltgesundheitsamt hat mir auf meine Anforderung Kopien aller Berichte über tote Vögel gesandt. Ich habe die Fundorte, zusammen mit der Anzahl der Vögel, auf der Karte eingetragen. Erkennen Sie ein Muster?«
Nita ließ ihren Finger über die winzigen roten Zahlen gleiten. »Auf den ersten Blick sieht es aus, als lägen alle Fundorte entlang der Südküste, mit besonderer Häufung in Cedarhurst, Lawrence und Long Beach.«
»Ja, Funde sind bisher nur an der Südküste gemacht worden. Sie sehen, daß hier im Reynoldskanal nahe Long Beach über zweitausend tote Enten gefunden wurden. Nun – haben Sie zufällig in der Erinnerung, in welche Richtung die Luftschleuse der ›Perikles‹ wies, als sie geöffnet wurde?«
»Nein, ich war zu aufgeregt, um darauf zu achten.«
»Auch ich war nicht sicher. Darum habe ich mich mit dem Flughafen in Verbindung gesetzt. Der offene Ausstieg liegt fast genau Ost-Südost – so etwa.« Sam griff nach einem Lineal, legte es über die Kompaßrose und zog eine rote Linie, die vom Flughafen über Long Island zum Ozean führte. Als er das Lineal abhob, weiteten sich Nitas Augen.
»Die Linie geht durch Long Beach, genau durch den Mittelpunkt der Fundorte. Aber das kann nicht sein – es sei denn, der Wind wehte in dieser Richtung.«
»Wir hatten gestern kaum Wind, erinnern Sie sich nicht? Die höchste Stärke betrug zwei Meilen in der Stunde, und der Wind sprang häufig um.«
»Wollen Sie damit sagen, daß das Virus, das diese Vögel infizierte, geradlinig aus der Luftschleuse kam und alles infizierte, was seinen Weg kreuzte?«
»Sie sagen es, Nita, nicht ich. Ich habe gerade die Zahlen eingetragen, die von der Polizei geliefert wurden. Vielleicht hat sich das Virus so ausgebreitet, wie Sie es annehmen. Vielleicht irren wir uns, wenn wir damit rechnen, daß ein fremdartiger Organismus sich nach unsern Spielregeln aufzuführen hat. Bis jetzt verläuft in der ganzen Sache nichts nach den uns bekannten Gesetzen.« Sam marschierte unruhig auf und ab und schlug die rechte Faust in die linke Handfläche.
»Und ausgerechnet jetzt muß ich hier in der Falle sitzen. Wenn die Randsche Krankheit nur Vögel erfaßt, können sie uns für den Rest unseres Lebens hier unter Beobachtung halten, weil sie nie sicher sein können, daß nicht doch einer von uns die Krankheit in sich trägt ...« Das Telefon schrillte. Sam nahm den Hörer ab. Auf dem Bildschirm zeigte sich Chabel. In sein Gesicht hatten sich tiefe Falten gegraben, und seine Stimme war so leise, daß sie kaum vernehmbar war.
»Ein Patient ist auf dem Wege zu Ihnen, Dr. Bertolli. Bitte nehmen Sie sich seiner an.«
»Heißt das ...«
»Ja. Die Randsche Krankheit. Ein Polizist. Es ist einer der Männer, die den Auftrag hatten, die toten Vögel
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