TTB 109: Unendlichkeit x 5
»Eine einzige Atombombe auf das Gebiet eines der potentiellen Gegner würde den Krieg auslösen, weil die Betroffenen sich angegriffen fühlen würden. Innerhalb weniger Wochen wäre alles vorüber.«
»Aber wie bringt man sie dazu, daß sie die erste Bombe abwerfen?«
»Gar nicht, Kommandant. Wir werfen sie selbst ab.«
»Was?« Devi-en umklammerte die Stuhllehne.
»Das ist die einzige Lösung, die sich anbietet, wenn man sich mit der Lebensweise der Primaten beschäftigt.«
»Aber wie können wir das?«
»Wir stellen eine Bombe her. Das ist leicht genug. Dann werfen wir sie über einer bewohnten Gegend ab ...«
»Über einer bewohnten Gegend?«
Der Erz-Administrator sah zu Boden. »Ja, sonst hat sie nicht die richtige Wirkung.«
»Richtig«, sagte Devi-en. Er dachte unwillkürlich an Geier. Er stellte sie sich als riesige Vögel mit schuppigen Flügeln und scharfen Krallen vor, die Sterbenden die Augen auspickten.
Er bedeckte die Augen mit den Händen. »Und wer steuert das Schiff? Wer wirft die Bombe?«
Die Stimme des Erz-Administrators sank zu einem Flüstern herab. »Ich weiß es nicht.«
»Nicht ich«, sagte Devi-en. »Ich könnte es nicht. Es gibt keinen Hurrianer, der das fertigbrächte.«
Der Erz-Administrator nickte zustimmend. »Vielleicht könnte man den Mauvs einen entsprechenden Befehl erteilen ...«
»Wer würde diesen Befehl geben wollen?«
Der Erz-Administrator seufzte. »Ich werde den Großrat benachrichtigen und ihm alle Informationen vorlegen. Vielleicht weiß er eine Antwort.«
*
Deshalb bauten die Hurrianer also nach über fünfzehn Jahren ihren Stützpunkt auf dem Mond ab.
Sie hatten nichts erreicht. Die Primaten des Planeten führten keinen nuklearen Krieg; vielleicht würde es nie zu einem kommen.
Aber trotz der düsteren Zukunftsaussichten fühlte Devi-en sich unendlich glücklich. Er wollte nicht an die Zukunft denken. Im Augenblick war er damit zufrieden, diese schrecklichste aller schrecklichen Welten hinter sich lassen zu können.
Erst als der Mond weit hinter ihnen zurückblieb, vermochte er ein leichtes Gefühl des Bedauerns über den Mißerfolg des Unternehmens zu empfinden.
Er sagte zu dem Erz-Administrator: »Vielleicht wäre doch noch alles gut gegangen, wenn wir länger gewartet hätten. Vielleicht hätten sie selbst einen nuklearen Krieg begonnen.«
Der Erz-Administrator antwortete: »Ich bezweifle es trotzdem. Die Mentalanalyse dieses Primaten ...«
Er sprach nicht weiter, aber Devi-en wußte, was er hatte sagen wollen. Der Wilde war wieder auf seinem Heimatplaneten abgesetzt worden, nachdem die Ereignisse der vergangenen Woche aus seinem Gedächtnis gelöscht worden waren. Das Raumschiff hatte ihn in der Nähe einer kleinen Ansiedlung abgesetzt, die nicht weit von dem Ort entfernt war, von dem er entführt worden war. Die anderen würden annehmen, daß er sich verirrt hatte. Der Gewichtsverlust, die blauen Flecken und der Mangel an Erinnerungsvermögen würden dem Umherirren in der Wildnis zugeschrieben werden.
Aber der Schaden, den er angerichtet hatte ...
Hätten sie ihn nur nicht auf den Mond entführt! Vielleicht wäre dann alles anders geworden. Vielleicht wären sie selbst auf den Gedanken mit der Bombe gekommen und hätten ihn irgendwie in die Tat umgesetzt.
Das Beispiel mit den Geiern hatte ihre Absichten zunichte gemacht. Es hatte Devi-en und dem Erz-Administrator einen schweren Schock versetzt. Selbst der Großrat hatte sich davon beeinflussen lassen, denn der Befehl zum Abbau des Stützpunktes war überraschend schnell gekommen.
Devi-en sagte: »Ich werde nie wieder an einer dieser Expeditionen teilnehmen.«
»Vielleicht startet nie wieder eine«, meinte der Erz-Administrator bedauernd. »Diese Wilden werden über die Galaxis herfallen und einen Planeten nach dem anderen besiedeln. Das ist gleichzeitig das Ende aller ...«
Devi-en nickte stumm. Das Ende aller Bemühungen der Hurrianer um den Fortbestand aller Rassen der Galaxis; das Ende alles Guten, das sie in Zukunft noch hätten tun können.
»Wir hätten eine Bombe ...«, begann er und sprach nicht zu Ende.
Welchen Sinn hätte es auch gehabt? Sie hätten die Bombe um keinen Preis der Galaxis abwerfen können. Wären sie dazu imstande gewesen, hätten sie die Denkungsweise der Primaten angenommen und sich mit diesen Wilden auf die gleiche Stufe gestellt. Außerdem gab es schlimmere Dinge als nur das Ende aller gutgemeinten Bemühungen.
Devi-en dachte an die Geier
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