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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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übernachten. Klar?«
    Er starrte sie unverwandt an, schwieg aber.
    »Haben … hast du verstanden?«
    »Ich möchte schlafen!« sagte er und nickte.
    Anjanet sah zur Decke. »Mein Gott«, sagte sie verzweifelt, »was soll der Unsinn. Bist du schwachsinnig?«
    »Noguera!«
    »Selbstverständlich«, murmelte sie und stand auf. Sie holte aus einem Wandschrank den Schlafsack, die Schaumunterlage und die Netze hervor und legte alles auf die oberste Stufe der kleinen Treppe. Dann wies sie auf die Liege und sagte laut: »Hier wirst du schlafen!«
    Er nickte. Diesmal hatte er offensichtlich verstanden. Sie drehte sich um und schob eine schmale Tür in die Wand hinein. Dahinter wurden weiße Armaturen sichtbar. »Hier ist die Toilette«, sagte Anjanet.
    »Klar?«
    »Klar!«
    Sie nickte zufrieden und sagte:
    »Schlafen Sie gut, Noguera. Der Lichtschalter ist dort. Einen Knopf werden … verdammt! Einen Knopf wirst du hineindrücken können als Pilot, nicht wahr?«
    »Ich möchte schlafen!«
    Er starrte sie an. Sie merkte, wie es in seinem Kopf arbeitete. Welcher Natur die Gedanken waren, vermochte Anjanet trotz ihrer psychologischen Kenntnisse nicht zu erraten. Sie ging hinaus und blieb neben dem Wagen stehen, überlegte. Dann umrundete sie das Klassenzimmer und legte in dem Winkel zwischen Wandplatte und Stützelement die Unterlage hin, breitete den Schlafsack aus und hängte das Netz an Haken. Im Augenblick verwünschte sie sich und die Pädagogische Verwaltung, die diese wandernden Schulen nicht serienmäßig mit Sendern ausstattete, sondern nur mit Notrufraketen.
    Das war die Lösung! Sie ging ins Klassenzimmer, klappte ein Fach auf und nahm die zwei Raketen heraus. Dann öffnete sie den Schieber an einem Rohr, der Führung des Projektils.
    »Hoffentlich sieht jemand das Licht«, murmelte sie vor sich hin und schlug mit ihrer kleinen Faust auf den Auslöser. Ein Treibsatz reagierte, und ein Feuerstrahl jagte die Rakete hoch in die Luft. Sie stieg eineinhalb Kilometer und detonierte; es gab einen weit sichtbaren roten Blitz, dann eine Feuerkugel, die acht Sekunden brannte.
    Die zweite Rakete verließ das Rohr; eine blauleuchtende Miniatursonne ging über der Wüste auf und war nach acht Sekunden verbrannt.
    Wesentlich mehr beruhigt ging Anjanet zum Fluß hinunter und zog sich aus; die Anstrengung des Schwimmens ließ etwas von der aufgestauten Energie verschwinden. Als die Frau müde in den Schlafsack kroch und die letzte Zigarette rauchte, erschienen die Sterne und der fahle Mond Tejedors.
    Dann schlief die Frau ein. Der Schlaf war unruhig und voller unheilvoller Träume. Plötzlich erwachte Anjanet. Ein ungewohntes Geräusch hatte sie geweckt.
     
    *
     
    Nach fünf Stunden Schlaf, dem typischen Raumschiff-Intervall, wachte Noguera mit der Präzision einer Quarzuhr auf. Er fand sich wieder; hier waren Dunkel, Schweigen, Einsamkeit. Kein Gesicht. Kein Großes Spiel.
    Er murmelte: »Mit dem Wolfe zieht die wilde Schar; Byleipts Bruder bringen sie mit.«
    Dann kicherte er. Die wenigen Gedanken, die sein leerer Schädel zu produzieren vermochte, überschlugen sich. Sie rollten zurück in die Vergangenheit, weit bis vor den Anfang der Spiele. Alles war so leer damals, wie heute. So leer wie heute. Und es gab nur eines: Robot Nannie. Sie sah ähnlich aus wie er selbst, nur die Haut war weiß; weich, nicht hart wie die Männer, mit denen er gespielt hatte. Weiche Nannie. Und sie war für ihn dagewesen. Immer. Sie hatte mit einer warmen, tiefen Stimme zu ihm gesprochen, wenn er geweint hatte. Immer hatte Nannie getröstet, wenn es nicht mehr weiterging. Jetzt ging es nicht mehr weiter. Das Große Spiel war zu Ende … Er hatte verloren, und dann hatte man ihm alles weggenommen. Noguera krümmte sich unter der federleichten Decke zusammen, steckte den Kopf unter den Stoff und begann zu weinen. Nach kurzer Zeit war das Kissen feucht.
    »Nannie?« rief er klagend. Niemand kam, niemand antwortete, niemand spielte mit ihm. Er fühlte sich plötzlich verlassen. Aber da war die Stimme Nannies gewesen …! Wo? Er bekam plötzlich Kopfschmerzen. Ein Gefühl erwachte in ihm, das er bis zum heutigen Tag nicht gekannt hatte. Wie ein Schlag auf ein gespanntes Fell sagte ihm eine dunkle Stimme, sehr undeutlich, daß dieses Fühlen Macht war und Vergessen; Suche nach Schutz und Wärme und einer tröstenden Stimme – ein Gefühl, das so alt war wie die Menschheit.
    »Nannie!« rief er wieder; undeutlich, weil er weinte, und leise, weil er sich

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