TTB 119: Computer der Unsterblichkeit
aufgehört, und die Pause war gespenstisch gewesen. Am Abend waren sie alle miteinander bereit gewesen, sich selbst die Kehlen durchzuschneiden, und nur die Betäubung durch zahllose kühle Biere hatte sie durch die Nacht gebracht. Aber nun war alles in Ordnung. Der Boß pfiff durch die Zähne und spielte mit seinem Feuerzeug.
Flynn brauchte ihnen nur die groben Umrisse seines Plans anzugeben. Sie konnten einen Rhythmus aufgreifen und wußten, was sie damit zu tun hatten. Die Musik in den Büros ging wieder los, und man durfte wieder die Ärmel aufkrempeln.
Aufeinander eingespielt wie die Solisten in einer Jam Session, verließen sie sein Büro, um die Variationen über das vorgeschlagene Thema auszufeilen. Steve Flynn signalisierte dem Produktionsleiter zu bleiben, während er ein Telefongespräch führte. Vielleicht gab es noch Dinge, die man mit hineinnehmen konnte.
Seine euphorische Stimmung war so stark, daß er es nicht einmal als Rückschlag empfand, als Joe sich weigerte, Mable in ihrer Ruhe stören zu lassen.
Mable war nicht in der Lage, sich Fotografen und Reportern zu stellen? Großartig, Junge! Wundervoll. Große Nummer! Übrigens, was fehlte ihr eigentlich? Eine Art Schock? Phantastisch! Könnte nicht besser sein! Junge, warum haben Sie mir das alles nicht eher gesagt? Joe, Sie sind einfach einfältig! Mensch, können Sie es denn nicht sehen? Das ist doch mit den Händen zu greifen. »Mable erwacht aus tiefer Ohnmacht, erscheint vor Gelehrten aus aller Welt! Ihr Eierköpfe macht mich noch kaputt! Merken Sie nicht, was ein dramatischer Knüller ist, wenn Sie mit der Nase daraufstoßen? Ich werde diese Masche hochspielen, daß keiner mehr an Billings denken wird. Billings? Wer ist Billings? Das werden die Leute morgen um diese Zeit fragen, mein Lieber.
Hören Sie, Joe. Ich habe einen Job zu tun. Die Leute müssen Billings vergessen. Ich kann Bossy nicht verkaufen, indem ich dem Publikum erzähle, wie sie bei Billings versagt hat. Mann, seien Sie doch vernünftig! Sie müssen positiv denken! Negatives Zeug kann man nicht verkaufen! Sehen Sie, Junge, es ist mir schnurzegal, ob das Publikum erzogen wird oder nicht. Kennedy sagt, es soll Bossy mögen. Kennedy ist mein Boß. Ich sorge dafür, daß das Publikum Bossy mag. So einfach liegen die Dinge!«
Am liebsten hätte er den Hörer auf die Gabel geknallt, aber er war ein Public-Relations-Mann, und die jahrelange Übung hatte ihm zu einer Art automatischem Charme verholfen.
»In Ordnung? Na klar, gewiß. Ich verstehe Ihren Standpunkt. Natürlich, Joe, wie Sie wollen. Okay? Alles klar? Also dann.«
Er legte den Hörer aus der Hand und blickte mit einer Grimasse zu seinem wartenden Produktionsmann auf.
»Keine frischen Gags«, sagte er.
Der andere zuckte mit der Schulter. Das war kein Beinbruch. »Wie Sie meinen, Boß«, sagte er. »Hauptsache, ich weiß, womit ich arbeiten kann.« Er konnte heute eine Sache aufbauen und morgen eine andere obendrauf stellen. Das gehörte zum täglichen Brot. Er wollte nur wissen, was gespielt wurde, was gefragt war. Er würde es produzieren.
Er verließ Flynns Büro und ging von Abteilung zu Abteilung, koordinierte, regte an, verschmolz Ideen, gab in Diskussionen nach, ohne Opposition auszudrücken und setzte seine Ansicht schließlich doch mit Flexibilität und Spannkraft durch. Wenig später kamen die ersten Manuskripte für Nachrichtenagenturen und Zeitungen auf seinen Tisch. Er redigierte sie, setzte Termine für Konferenzen und vereinbarte Interviews. Die Kommunikationsmaschine war wieder in voller Fahrt.
19
Drei Tage lang ließen Steve Flynns Mannen Mable zwischen Leben und Tod schweben. Ihr Fieber war mal oben, mal unten. Sie war bei Bewußtsein, sie lag in Agonie. Sie konnte essen, sie mußte intravenös ernährt werden. In den Spalten der Presse kämpfte sie mit jedem Atemzug einen heldenhaften Kampf um ihr Leben.
Und bei alledem war sie immer noch jung, immer noch schön, immer noch fähig, ihre Zähne blitzen zu lassen und ihren fotogenen Busen zu zeigen.
Wie Steve Flynn vorausgesagt hatte, vergaß das Publikum alles, was es über Billings gehört hatte. Dies war mehr nach seinem Geschmack. Endlich wurde die ganze Geschichte erzählt. Genährt von Seifenopern, in seinen Vorstellungen von Kunst an Hollywoods Interpretationen dessen geschult, was ein Drama zu sein hat, gefüttert mit fragwürdigen Aufbereitungen, an denen sich seit den Tagen des Stummfilms nichts geändert hatte, bekam das Publikum
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