TTB 119: Computer der Unsterblichkeit
sorgen, Sir, daß Sie nicht gestört werden. Ich meine … danke, Sir. Danke, Sir.«
Carney zwinkerte, starrte auf die offene Tür und auf den Soldaten. Er verstand nichts von alledem, nicht einmal sich selbst und seine Handlungsweise. Dieser junge Soldat hatte ohne Zweifel einen Dachschaden, aber was konnte man in diesen Zeiten schon anderes erwarten? Er klopfte dem Mann auf die Schulter.
»Nehmen Sie es nicht so schwer, mein Junge«, sagte er freundlich. »Sie sind nicht schlimmer dran als alle anderen.«
Tränen der Dankbarkeit stiegen dem Soldaten in die Augen. Nun erfuhr er zum erstenmal, was dieses Loyalitätsgefühl war, von dem sie ihm immer gepredigt hatten, daß er es haben sollte. Das hier war ein richtiger Offizier, ein anständiger Kerl. Ein Offizier, für den man durch die Hölle gehen konnte … Er salutierte schneidig. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er traute sich nicht, noch etwas zu sagen.
Carney schüttelte mitleidig seinen kahlen Schädel und schlurfte weiter in den Hörsaal.
Als die Tür hinter Carney ins Schloß gefallen war, wandte sich Joe um und rannte zurück zu Hoskins’ Raum. Er rüttelte den Kybernetiker wach und zerrte ihn in Billings’ Zimmer. Als die beiden hinreichend munter waren, daß sie ihn verstehen konnten, erzählte er ihnen, was geschehen war, und gab einen kurzen Abriß seines Vorhabens.
Billings schaute bedenklich drein, aber Hoskins schlug erfreut mit der Faust in die Handfläche seiner Linken.
»Das war gute Arbeit, Joe«, rief er aus. »Wir sollten den Versuch wagen. Kommen Sie schon, Jonathan!«
»Gehen Sie einfach an der Wache vorbei«, sagte Joe. »Sagen Sie kein Wort.«
Er lief in sein Zimmer und rief Steve Flynn an. Das Telefon läutete lange, bevor er Flynns ärgerlich knurrende Stimme hörte.
Zuerst begriff Steve Flynn nichts. Joe mußte die wichtigsten Teile seines Plans wiederholen, dann fiel der Groschen, und Flynn schrie begeistert ins Telefon. Mißmut und Schläfrigkeit waren vergessen.
»Genial, Junge! Reiner Genius! Behalten Sie die Dinge dort unter Kontrolle, Joe, und warten Sie ab, bis Steve Flynn sein größtes Faß aufmacht!«
21
Steve Flynn wußte nichts von den wissenschaftlichen Termini der Massenpsychologie, aber er verstand es, sie praktisch anzuwenden, und er hatte ein todsicheres Gespür für ein massenpsychologisches Potential. Er wußte, wie man damit umgehen mußte, damit es sich kristallisierte.
Stunde um Stunde hielt er die Neuigkeit von Carneys Behandlung zurück. Ein zweites Fiasko wie das mit Billings durfte er der Öffentlichkeit nicht zumuten.
Emsig zog er hinter den Kulissen seine Fäden, verpflichtete jede Kontaktperson zu unverbrüchlichem Schweigen und bereitete die Bühne für eine neue weltweite Fernsehschau. Er beging sogar den wohlberechneten Fehler, einen als notorisches Klatschmaul bekannten Nachrichtenkommentator kurz vor der allgemeinen Veröffentlichung über das Vorhaben zu unterrichten.
Der Kommentator erregte die Weltöffentlichkeit mit dem Gerücht, Bossy werde wieder ausprobiert.
Es war wie die Handvoll Trockeneis in einem Wolkenfeld. Der Platzregen der Publikumsreaktion setzte plötzlich und machtvoll ein. Unter normalen Bedingungen hätte das Militär seinen Brückenkopf einfach durch ein größeres Kontingent verstärkt, das gesamte Krankenhausgelände besetzen lassen und den ganzen Unfug unterbunden.
Aber im Hinblick auf das erregte Verlangen der Öffentlichkeit, in die Vorgänge eingeweiht zu werden, und angesichts der Massen, die sich im ganzen Land vor Zeitungsgebäuden und Rundfunkstationen versammelten, fand das Pentagon es ratsam, die Angelegenheit einstweilen in der Schwebe zu lassen. Es erließ Befehle und Gegenbefehle, so daß es zu keinen Aktionen kam.
Der Chef des Generalstabs verließ plötzlich in dringenden Geschäften die Hauptstadt. Er war für eine Entscheidung unerreichbar. Die Verantwortung für die Entscheidung wurde von einer Stelle zur nächsten geschoben und durchlief dabei sämtliche Instanzen in absteigender Folge. Bald lag sie in San Francisco beim Leutnant, der das einzig Mögliche tat – und die ganze Verantwortung dem Sergeanten aufbürdete.
»Ich weiß«, sagte er markig, »daß ich mich auf Sie verlassen kann. Sorgen Sie dafür, daß alle nötigen Maßnahmen getroffen werden.«
Der Sergeant nickte. Er hatte es die ganze Zeit erwartet. Er würde einfach weiterhin für die Ablösung der Wachen sorgen, während alle möglichen Leute ein und aus
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