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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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lang stellt sie sich vor, seine Frau zu sein. Dann kommt sie auf die Erde zurück und betrachtet den schwarzen Flesh-Tunnel in seinem Ohr.
    »Klar«, antwortet sie.
    Das Auto schießt durch die Via Bruno Buozzi, das Stadion San Nicola sieht aus wie eine riesige, fliegende Untertasse. Ein hochtoupiertes, aufgepumptes Fräulein in pinkfarbenen Klamotten kommt auf den Ford Fiesta zu und sagt mit männlicher Stimme: »Hallo, ihr Süßen.«
    Marco lässt die Fenster hochfahren, tritt aufs Gaspedal. Ein grauer Mercedes macht Lichthupe. Das sind sie. Die Wagen halten Seite an Seite. Stella schaut aus dem Fenster und sieht zwei Fünfzigjährige. Sie: glattes, braunes Haar und olivenfarbene Haut. Er: graumelierte Haare, Brille und großer Kiefer.
    Mein Vater sieht besser aus.
    Stella starrt Marco an.
    »Ich weiß nicht, ob ich Lust darauf habe ...«
    Er berührt ihre Hüfte.
    »Komm schon! Wir lernen sie erst mal kennen ... du musst nichts machen, was du nicht willst.«
    Er küsst sie auf die Lippen, betrachtet sich im Rückspiegel und fährt sich mit der Hand über die gegelten Haare.
    Stella lässt sich darauf ein, öffnet die Autotür und steigt aus.
    Anna ist sehr einfach gekleidet: Bluejeans und weißer Pulli, leicht geschminkt, Mokassins. Vito trägt einen Kaschmirpullover und ebenfalls Jeans. Sie reichen einander die Hände und tauschen Komplimente aus. Dann steigen sie alle in deren Auto.
    »Wie gut du aussiehst«, sagt Anna.
    Stella lächelt.
    Marco trägt wie üblich sein schwarzes Hemd, eine graue Jacke und schicke Jeans.
    »Was macht ihr so im Leben?«, fragt der Mann hinter dem Steuer. Marco sagt, dass er eine Firma besitze, dass er Musik mache, schreibe, Kurzfilme drehe, dass er gerne lese, Leute kennenlerne, was unternehme, Sex habe.
    »Und was treibst du?«, fragt Vito Stella. Seine Frau klammert sich am Sitz fest, dreht sich um und starrt sie an. Stella versucht zu begreifen, ob sie neidisch oder geil auf sie ist.
    »Ich studiere Philosophie.«
    »Was für ein anständiges Mädchen«, sagt der Mann.
    »Ich habe überall Einsen, lese viel, mag Dostojewski, Kundera, Hermann Hesse, Nietzsche, Sartre, die Filme von David Lynch und Kubrick.«
    Schweigen. Schweigen.
    »Sehr gut, sehr gut. Also? Wo geht’s hin?«, fragt Vito in die Runde.
    »Gehen wir was trinken?«, sagt Marco.
    Anna ist unschlüssig.
    »Weißt du, wir wollen nicht von den Leuten gesehen werden, wir haben Kinder.«
    In meinem Alter wahrscheinlich.
    »Wenn es nur einen Ort gäbe, wo wir ganz in Ruhe und unter uns wären«, wagt sich Vito vor.
    »Sie hat eine Studentenbude im Zentrum«, sagt Marco.
    Stella erschrickt und macht diesen Vorschlag sofort zunichte. In ihre Bude könne man nicht gehen, weil sie erstens nicht von ihr, sondern von ihren Eltern sei, und zweitens die Leute aus dieser Gegend sie kennen, dort können sie nicht hingehen. Auf keinen Fall.
    Was fällt ihm ein, diesem Schwachkopf.
    Und es ist dieser Moment, in dem Vito erklärt, dass er im Prinzip einen Ort wüsste. Nur, dass es etwas kühl und ungemütlich sein könnte. Die Neugier überwiegt. Ein Boot. Ein Boot im Jachtclub.
    »Was macht ihr denn beruflich?«, fragt Stella.
    »Wir arbeiten im Handel und haben eine kleine Firma.«
    Marco findet die Idee mit dem Boot hervorragend, auch Stella stimmt zu, und er nimmt sie in den Arm.
    Wie verlogen er ist.
    Der Mercedes steuert auf die Strandpromenade zu, durchquert Bari Vecchia, erreicht die Hafenmole und hält dort.
    Der Nachtwächter sieht den Herrn Vito mit seiner Frau hineinfahren, begleitet von zwei jungen Leuten, die nicht wirklich wie ihre Kinder aussehen. Der Nachtwächter fragt ihn, ob er etwas brauche, und er antwortet, er wolle auf das Boot. Der Wächter lächelt. Anna und Vito sind ganz blass, aber dann haben sie das Kontrollhäuschen auch schon passiert.
    Die Luft ist mild, der Himmel voller Sterne. Das Boot ist eine kleine Motoryacht mit Kajüte. Vito tritt als Erster ein, gefolgt von seiner Frau. Stella und Marco bleiben noch einen Augenblick draußen. Sie zieht ihre Stöckelschuhe aus, der Saum des Kleides kräuselt sich etwas, und man kann den Rand der halterlosen Strümpfe sehen. Marco bemerkt es.
    »Hast du gesehen? So eine schöne, sternklare Nacht«, sagt er.
    Macht er jetzt einen auf Romantiker?
    »Ja, eine Nacht wie viele andere«, antwortet sie.
    »Stell dir mal vor: ich, du, ein Boot, der Himmel, die Nacht ...«, fährt er fort.
    Und ein paar notgeile Fünfzigjährige, die mich vernaschen wollen.
    Stella gibt

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