Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
Vom Netzwerk:
sich an einen weißen Tisch mit Gartenschirm. Stella schlägt die Beine übereinander, blättert das Menü durch und schielt zu Anna hinüber, die sich nervös nach links und rechts umschaut.
    Der Kellner nimmt die Bestellungen auf: für Anna Fruchteis, für Stella ein Eisbecher mit Schokolade und Sahne.
    »Du bist also neunzehn?«, fragt Anna.
    Stella mustert sie lange und tief, streicht sich mit dem Finger über die Lippen, deutet abwesend ein Nicken an.
    Der Kellner bringt zwei große Becher. Stella gräbt ihren Löffel in das Eis. »Und was hast du vor?«, fragt Anna in mütterlichem Ton.
    Stella schiebt sich das dunkle Eis in den Mund, leckt den Löffel ab. Sie spürt, wie die kalte Schokolade ihren Hals hinabgleitet.
    »Ich will reisen, tanzen, lesen, Erfahrungen sammeln ... und viel Sex haben«, sagt sie.
    Anna errötet, blickt sich um, versucht ein aufgesetztes Lächeln. Stella streift die Sandaletten ab und legt ihre Füße auf den Stuhl. Anna kaut auf ihrer Unterlippe, ihr Atem beschleunigt sich, sie streckt ihre Hand nach der von Stella aus.
    »Weißt du, ich ...«, raunt sie, »als ich dich gesehen habe, hätte ich dich am liebsten sofort geküsst, hätte ich dich am liebsten sofort ...«
    »Was hättest du am liebsten?«, fragt Stella und grinst.
    »Aber ich kann mich nicht überwinden, es ist so verwirrend, weißtdu, ich weiß nicht, ob das, was ich fühle, das, was ich gerade tue, richtig ist.«
    Jammertante.
    Stella gönnt sich noch einen Löffel Eis.
    »Man muss das tun, worauf man Bock hat.«
    O Gott, ich klinge wie Marco.
    Stella steht auf und geht zur Toilette. Anna zahlt die Rechnung. Als Stella zurückkommt, verlassen sie die Bar, gehen zum Auto und steigen ein.
    Die Frau lässt den Motor an. Das Mädchen raucht eine Zigarette, Sonnenstrahlen auf ihrer rechten Gesichtshälfte, die Nase und die Wangen von der Sonne gerötet. Anna fährt. Sie reden kaum, ein paar Worte über die Sonne, das Meer, das schöne Wetter und dass der Frühling jetzt komme. Stella legt Anna eine Hand auf den Schenkel, streichelt sie, dreht sich zu ihr um, Anna rührt sich nicht, starrt geradeaus auf den Weg.
    Als sie die Bar Centrale erreichen, hält Anna an und gibt Stella zu verstehen, dass sie sie gerne geküsst und berührt hätte.
    »Über manche Sachen redet man nicht, die tut man.«
    Stella legt ihr eine Hand um den Hals und küsst sie. Sie sucht Annas Zunge, schmeckt ihren Speichel – Erdbeerzitrone. Sie fährt ihr mit den Fingern zwischen die Brüste, dann wendet sie sich ab, öffnet die Tür und verschwindet.
    »Tschüss, wir sehen uns. Am besten wieder zu zweit.«
    Anna bewegt sich nicht, hält das Lenkrad fest, starrt Löcher in die Luft. Als Stella um die Ecke geht, sieht sie, dass der Mercedes immer noch dasteht.

JUDAS
    Der Fiat Seicento kommt auf den Steinen ins Schleudern. Der Checker versucht gegenzulenken. Das Quietschen der Reifen sorgt einen Moment für Anspannung.
    »Alter, fahr langsam, das ist doch kein Jeep«, ruft Tina und legt eine Hand auf den Vordersitz. Stella starrt nach draußen auf den Weg im Dunkeln. Gebüsch. Bäume. Steine. Sie spürt ein Stechen in der Magengegend, tief unten rechts.
    Wann sind wir endlich auf dieser Scheißparty?!
    Auf einem Schild auf der rechten Seite steht: Il Lamione.
    »Hier ist es«, sagt Stella.
    »Ich weiß, dass es hier ist, ist ja nicht mein erstes Mal«, antwortet der Checker.
    Das Auto ist im Schlamm stecken geblieben. Tina reißt die Arme hoch, stöhnt verärgert.
    »Als ich in den Neunzigern auf die Raves bin, konnten die Leute noch fahren.«
    Stella und der Checker werfen sich einen vielsagenden Blick zu, irgendwo zwischen genervt und amüsiert.
    Durchs Fenster dringen der Geruch von Kuhmist und die pulsierenden Bässe der House-Musik. Die Räder des Seicento drehen durch, rotieren im Schlamm. Schließlich schaffen sie es wieder auf die Schotterpiste. Zwischen den Bäumen stehen etwa hundert Autos.
    »Echt was los hier«, bemerkt der Checker.
    Stella schluckt.
    Marco wird auch hier sein.
    Sie parken, steigen aus. Vor ihnen baut sich ein verwahrlostes Landhaus auf. Und dahinter: Land, Land, Land. Steine, Olivenbäumeund Kornfelder. Aber im Dunkeln erkennt man davon nichts. Nur der Mond ist zu sehen und ein Sternenteppich.
    Drinnen stinkt es nach Schweiß und Speed, nach Kunststoff und nach Fisch und Zitrone. Von den Steinwänden hallen die Bässe wider. Die Gewölbe scheinen höher als gewöhnlich. Eine Menschenmenge bewegt sich stoßweise: Geschlossene

Weitere Kostenlose Bücher