Tu dir weh
und dem Strudel der Klänge aufgesaugt. Sie endet in den Untiefen des Klangs und tanzt inmitten von Gummipuppen. Die Gummipuppen haben die Gesichter ihrer Freunde. Sie wendet sich um. Hinter ihr steht der Checker, die Augen komplett weiß.
Ich fand ihn nie besonders attraktiv.
»Wo ist Tina hin?«, fragt er Stella.
Sie blickt sich kurz um und sieht Tina in Marcos Armen.
So eine Schlampe.
Er steckt seine rote, lange Zunge, die dünn ist wie die einerSchlange, in Tinas Mund und schaut Stella an. Auch Tina schaut Stella an und lacht vergnügt. Sie kann Marcos Gedanken lesen:
Stirb, Stella, stirb meinetwegen.
Sie wendet sich ab, den Rücken zur Box, und sieht, dass alle sich küssen. Gummipuppen und Dreadlock-Weltraumkrieger, die einander die Zungen in die Münder stecken, sich aneinander reiben. Der ganze Saal ist von grauenvollen, gierigen Liebhabern bevölkert. Überall Zungen, die in Münder stoßen. Und alle sehen sie an. Und lachen. Stella zwängt sich zwischen den Dreadlock-Kriegern und Gummipuppen hindurch, schiebt sie zur Seite, setzt sie mit den Händen um, trampelt auf ihre Füße. Sie hält sich an den Wandziegeln fest, sie geht drei Stufen hinauf und zwängt sich durch einen Spalt, der wahrscheinlich einmal eine Tür war. Das erste Morgenlicht scheint auf die Wände. Phosphoreszierende Wandgemälde leuchten abwechselnd auf. Pissegeruch. Stella durchquert auch den zweiten Saal des Landhauses. Draußen scheint die Sonne, ein blendend weißes Licht. Sie atmet erleichtert auf, so weit das Auge reicht nur Felsen und Kornfelder und Olivenhaine. Land und Land und noch mal Land. Leuchtendes Grün. Rosa Wolkentupfer. Der Himmel bitterorange.
So, jetzt kann man wieder klar denken.
Stella sieht Ganzo mit einem Mädchen sprechen, das an seinem Auto lehnt. Ein paar Meter weiter, auf einer kleinen Mauer, entdeckt sie bekannte Gesichter. Ein Gefühl der Geborgenheit kehrt zurück. Sie schaut zu Boden und sieht, dass die Kornfelder atmen. Die Erde dehnt sich aus, zieht sich zusammen wie eine riesige Lunge. Die Felder ziehen bizarre runde Kurven, der Horizont erscheint wie ein Gemälde von Van Gogh.
Die Ruhe nach dem Sturm.
Sie beobachtet die Blätter der Bäume – Milliarden lächelnderGesichter. Sie kann sie fast hören, ihre kindlichen Stimmen. Wenn sie aber versucht, den Blick auf eines der Blätter zu konzentrieren, verwandelt es sich in eine gemeine Fratze.
Ein Trip ist wie die Philosophie – du musst wissen, wie du auf den Oberflächen tanzt. Wenn du zu tief hineinfällst, wirst du wahnsinnig.
Stella inhaliert den Geruch von Erde. Margeriten und Tau. Den Geruch der Bäume. Nach Land. Sie atmet ein und aus im Rhythmus der Erde. Sie dreht sich um und entdeckt Marco.
Er verfolgt mich.
Sie lacht. Es ist mehr ein Grinsen als ein Lachen.
Jetzt bin ich der Teufel.
Sie entfernt sich fünf Schritte von ihm, nähert sich der kleinen Mauer. Ihre Füße sinken in die Erde ein und werden wie von Federn wieder hinaufgeschleudert. Die Erde atmet. Stella ist im Einklang mit dem Universum.
Was ist los, warst du nicht gerade noch dabei, mit meiner Freundin rumzumachen?
Sie geht und hört, wie Marcos Schritte ihr folgen. Sie geht langsam und wird unerklärlicherweise von Euphorie übermannt.
Du willst mich, Schätzchen, du stirbst für mich.
Stella dreht sich um, schaut ihn an. Marco hat die Augen aufgerissen, lächelt ihr zu, schaut verliebt. Rechts von ihr steht Marco, links Ganzo und das Mädchen. Sie schaut sie an. Zuerst Marco. Dann Ganzo. Marco. Ganzo. Sie tut so, als würde sie sich Marco nähern. Sie fasst ihr Top, dehnt den Ausschnitt bis runter zum Bauchnabel und hält den Atem an. Sie richtet ihren BH, schiebt die Brüste ihrem Gesicht entgegen. Marco schaut genau dort hin. Er kommt näher. Sie sind ein paar Meter voneinander entfernt. Er spitzt die Lippen, möchte etwas sagen.
Ich kann jetzt nicht nachgeben, du hast die ganze Nacht an meiner Freundin rumgefummelt.
Stella ist höchstens noch einen Meter vor ihm, als sie die Richtung ändert und auf Ganzo zuläuft. Sie fällt über ihn her, steckt ihm die Zunge in den Hals. Das Mädchen ist wie versteinert. Der Checker nutzt die Gelegenheit, mit Stella ein bisschen rumzuknutschen, dann wendet er sich dem Mädchen zu und sagt:
»Das ist echte Geschwisterliebe.«
Ja, klar, rein und unschuldig.
Das Mädchen verschränkt die Arme. Marco macht eine bestürzte Miene und läuft in das Bauernhaus zurück, verschluckt vom Strudel der Klänge. Stella geht mit
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