Tu dir weh
Stunden unaufhörlich weint.
Manchen geht’s noch schlechter als mir.
Sie stürzt sich auf Stella, umarmt sie fest. Stella muss aufschreien vor Schmerz, Lory hat den Bluterguss auf den Rippen getroffen. Stella macht einen Schritt zurück.
»Nicht drücken, mir tut alles weh.«
Lory lässt sie herein, verscheucht die Katzen, die auf dem Teppich herumliegen. Sie gibt einer weißen Katze, die sich königlich auf dem Sofa ausgebreitet hat, einen Klaps und lässt Stella dort sitzen.
Sie setzt sich auf das Sofa und fällt wie ohnmächtig ins sich zusammen.
»Sorry, bin fix und fertig, sie haben mich richtig vermöbelt.«
»Wie?«, sagt Lory, plötzlich aufgeregt. »Dich haben sie auch ins Visier genommen? Was hast du damit zu tun?«
Wovon redet sie?
Stella wirft ihrer Freundin einen fragenden Blick zu.
»Wer hat mich auch ins Visier genommen?«
»Sagtest du nicht, dass sie dich richtig vermöbelt haben?«
»Ja, meine Eltern, zu Hause ist alles drunter und drüber gegangen, sie haben mich erwischt.«
Lory atmet erleichtert aus.
»Gott sei Dank.«
Wie jetzt »Gott sei Dank«?
Sie zieht die Augenbrauen zusammen, macht ein Gesicht, als wollte sie sagen: Im Ernst oder am Arsch?
»Nein, Augenblick, du weißt von nichts, oder?«
Was sollte ich denn noch alles wissen?
Stella schüttelt den Kopf. Die andere beginnt wieder zu schluchzen.
»Sie haben sich Alberto vorgenommen und ihm die Seele aus dem Leib geprügelt. Du hast ja keine Ahnung, Stella. Ich kann nicht mehr.«
Irgendwas ist komplett an mir vorbeigegangen.
»Wer hat sich Alberto vorgenommen? Wovon redest du?«
Lory legt eine Hand auf Stellas Oberschenkel. Durch ihre Fingerkuppen spürt Stella die ganze Hitze, den Schweiß, die Aufregung. Lorys Fingernägel, die immer so schön lang waren, sind zerkaute Stummel, die ihre Finger geschwollen aussehen lassen.
»Die Angst frisst mich auf«, sagt sie.
»Beruhige dich, erklär mir doch erst mal, was zur Hölle geschehen ist. «
»Jetzt«, sie legt sich die Hände an den Hals, um das Schluchzen zu beruhigen, »werde ich dir alles erzählen, alles.«
Sie erklärt ihr, vom Schluchzen unterbrochen, dass Alberto und Marco eine große Menge Koks auf Kredit erworben haben, um es weiterzuverkaufen. Alberto hat zur Lagerung alles Marco überlassen, weil er noch das Zeug von anderen Leuten zu Hause hatte und das Risiko zu groß gewesen wäre. Plötzlich kommt der Dealer, zieht Alberto an den Ohren und fordert das Geld für die Drogen zurück. Alberto erklärt ihm, dass er seinen Teil Marco gegeben habe, und der Dealer erwidert ihm, dass Marco ihm aber gerade gesagt hätte, dass das Zeug bei Alberto sei. Und der Dealer vertraut Marco, denn er ist sein Patenonkel. Alberto kapiert sofort, dass sein lieber Freund ihn richtig verarscht hat. Entweder hat er es selber genommen oder weiterverkauft – jedenfalls versucht er, ihn anzurufen, aber Marcos Handy ist aus, und seit Tagen ist er auf Tauchstation.
Deshalb hat sich das Arschloch nicht mehr gemeldet.
»Und warst du dabei, als sie ihn verprügelt haben?«
»Nein, Schatz, wir hatten uns getrennt.« Lory weint, legt ihren Kopf auf Stellas Brust, hebt ihn etwas an und fährt fort: »Und das tut mir noch mehr weh. Ich war in diesem Moment nicht bei ihm.«
Stella streicht ihr über das veilchenblaue und schwarze glatte Haar. Eine weiße Katze springt auf das Sofa und macht es sich auf den Beinen ihres Frauchens bequem, fast als ob sie sie trösten wolle.
»Und wann ist das alles passiert?«
»Schatz, gestern ist es passiert, Alberto hat mich vom Krankenhaus aus angerufen. Denn inzwischen haben sie ihm auch das Haus und alles auf den Kopf gestellt.«
»Und hast du ihn schon besucht?«
Lory nickt und sinkt auf ihre Knie, drückt die Katze an sich.
»Ich will eine Familie mit Alberto, ein Kind, ein normales Leben. Ich hab’ die Nase voll von diesem Scheiß.«
»Komm, du wirst sehen, früher oder später kommt alles wieder ins Lot. Ich verstehe nicht, warum Marco ihm das angetan hat.«
»Marco ist ein fieses Arschloch, ein hinterhältiger Bastard, es geht ihm immer nur um seinen eigenen Scheißvorteil.«
Langsam hat er es wirklich übertrieben, mit all diesem Scheiß auf dem Kerbholz wird der Tag kommen, da es ihm jemand übel heimzahlt.
»Heute gehe ich wieder in die Orthopädie. Kommst du mit?«
Ich hab’ echt Talent: Ich schaffe es immer, vom Regen in die Traufe zu kommen.
»Ja, Lory, ich komme mit«, sagt Stella und streicht Lory weiter übers
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