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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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die Straßen dieser Stadt laufen. Es wird leer sein. Ich werde alle Straßen dieser Stadt für mich allein haben. Es schüttet wie aus Eimern. Ein absolut trostloser Tag, dieser erste Weihnachtstag! Die Menschen dieser Stadt werden gerade ihr Mittagsmahl verspeist haben und sich zum Mittagsschlaf begeben. Gut für mich!
    Ich schließe die Kellertür ab.
    Da schließt jemand die Haustür auf.
    Ein Mensch betritt die Mozartstraße?
    Wer kann das sein?
    Mein Herz klopft. Keine Ahnung, weshalb.
    Da steht er vor mir.
    Und mein Herz beginnt zu rasen.
    Schwarzer Mantel, schwarzer Schal, schwarzer Hut.
    Eindrucksvoll. Doch. Obwohl es überhaupt nichts Besonderes ist. Die meisten Künstler laufen in diesem Outfit herum.
    Er setzt seine Brille ab, die ist nass und beschlagen. Noch hat er mich nicht erkannt.
    «Hallo!», sage ich. Und meine Stimme klingt seltsam belegt.
    Er zuckt zusammen.
    «Mensch, Zeno!»
    Er lächelt erleichtert. Setzt seine Tasche ab, putzt die Brille etwas umständlich mit seinem Pullover.
    Dann schaut er auf die Uhr.
    «Um sechs muss ich im Theater sein, aber bis dahin hätte ich Zeit!»
    Ich muss mich an die Wand lehnen, sonst sacke ich weg.
    Wie gut, dass ich keine Flaschen mehr in den Händen halte.
    Es hat mir die Sprache verschlagen.
    Mir sitzt ein Kloß im Hals, der versperrt meinen Worten den Weg.
    «Hast du noch den Champagner? Darauf hätte ich jetzt Lust!»
    Ich nicke.
    Falls sie ihn nicht diese Nacht getrunken haben ...
    «Holst du ihn?»
    Ich schlucke den Kloß runter.
    «Wir können ihn auch oben trinken. Ich bin allein!» Meine Stimme klingt zittrig.
    Er lächelt mich an. Und ich reiße mich los, bevor ich jetzt auf der Stelle umfalle.
    Ich laufe die 163 Stufen nach oben. Aktiviere den Kreislauf. Schon geht es mir besser. Jetzt noch kaltes Wasser ins Ge sicht, da klingelt er schon.
    Drei Stunden Zeit...
    Zeit – wofür?
    Schon geht es wieder los.
    Das Herz rast, die Beine sacken weg, in meinem Bauch ein seltsames Ziehen. Was ist das? Sehnsucht?
    Pass auf dich auf, Zeno Zimmermann!
    Verstrick dich nicht in Geschichten, die dir nicht gut tun!
     
    Er steht vor mir.
    Einfach unwiderstehlich, dieses Lächeln, dieser Blick...
    Mir zittern die Hände. Ich schaffe es nicht, die Flasche zu öffnen.
    «Lass mich mal!»
    Seine Hände nähern sich. Schöne Hände. Nicht besonders groß. Gepflegt. Schlanke Finger. Wunderschöne Hände ...
    Er greift nach der Flasche, berührt mich ... und es durchfährt mich wie ein Stromstoß. Gut, dass ich sitze.
    Er gießt die Gläser voll.
    «Weshalb bist du allein?»
    Er hebt sein Glas.
    « Mein Vater ist auf Ibiza!»
    «Und deine Mutter?»
    «Die wohnt in Amsterdam.»
    «Und gestern Abend?»
    Er stellt sein Glas auf den Tisch zurück. Und schickt mir einen fragenden Blick.
    Ich habe aufgehört zu atmen.
    «Na, sag schon!»
    Beim nächsten Atemzug heul ich los. Ich spür sie schon, die verdammten Tränen. Warum bleiben sie nicht da, wo ich sie eingemauert habe ?
    Er steht auf, kommt auf mich zu, mir wird schwindelig vom Duft seines Parfüms, von seiner Nähe, jetzt spür ich seinen Atem ... Er setzt sich zu mir auf das gelbe Sofa, er legt mir den Arm um die Schulter ...
    «Du musst weiteratmen, Zeno!»
    Ich schließe die Augen. Ich hole tief Luft. Ich spüre seine Hand auf meinem Rücken. Er zieht mich an sich.
    Ich kann nicht anders. Verdammt! Ich heule los! Und kann einfach nicht wieder aufhören. Wie dieser verdammte Regen draußen vor der Tür.
    Irgendwann reiße ich mich los.
    Ich halte seine Hand auf meinem Rücken einfach nicht län ger aus.
    «Entschuldige!», sage ich. Dann geh ich in mein Zimmer, werfe mich auf mein Bett, vergrabe meinen Kopf im Kissen.
    Hab ich die Tür abgeschlossen?
    Nein, hab ich nicht. Extra nicht? Weil ich mir wünsche, dass er kommt?
    Ich kann nicht aufhören zu heulen.
    Die Gespenster haben mich erwischt. An der empfindlichs ten Stelle. Der Lindenblattstelle.
    Ja, verdammt, ich bin allein.
    Und ich halte das nicht aus.
    Warum fahre ich nicht zu ihr? Warum rufe ich sie nicht wenigstens an?
    Langsam werde ich ruhiger. Langsam versiegen die verdammten Tränen. Ganz langsam beginnt mich der Gedanke an meine Mutter zu trösten.
    Irgendwann spüre ich seine Hand auf meinem Rücken. Beruhigend und warm.
    Irgendwann schlafe ich ein. Irgendwann wache ich wieder auf. Die Hand auf meinem Rücken ist immer noch da.
    «Ich muss jetzt los!», sagt seine Stimme. Diese ruhige, sanf te Stimme ...
    «Was hast du in den Ferien vor?»
    «Vielleicht

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