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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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Amsterdam!», sage ich.
    «Ich kann dir die Schweiz anbieten. Wenn du mitwillst, dann pack deine Sachen. Morgen früh fahr ich los!»
    «Und was soll ich da?»
    Ich trenne mich von seiner warmen Hand und setze mich auf. Ja, ich wage es, ihn anzuschauen. Jetzt lächelt er. Dieses ganz besondere Lächeln. Ziemlich verführerisch.
    « Das Leben genießen. Ganz einfach. Ski fahren, wenn du willst oder einfach in der Sonne sitzen. Gemütlich essen und trinken, nette Leute treffen. Den Alltag für eine Weile ver gessen !»
    Hört sich gut an. Verdammt gut sogar. Ski fahren, das habe ich immer ganz gut hingekriegt. Und Amsterdam läuft mir nicht davon. Das ist mir sicher... Sicherer als Martin M. jeden falls!
    Kann ich das wagen? Einfach so?
    «Und warum willst du gerade mich mitnehmen?»
    «Weil du mir besonders sympathisch bist, deshalb!»
    Er schaut auf die Uhr.
    «Ich bin spät dran, Zeno! Ich muss mich jetzt wirklich von dir trennen, leider!»
    Sein Lächeln hat er weggepackt.
    «Leg mir einen Zettel in die Wohnung, damit ich weiß, wie du dich entschieden hast!»
    Er steht auf, steht vor mir, die Hände in den Hosentaschen.
    Ich kann nicht nein sagen. Ich habe keine Wahl.
    Und er weiß es.
    «Ich komme mit! Um wie viel Uhr?»
    Ein kleines Lächeln nur. Jetzt hat er schon den Theaterblick.
    «Ziemlich früh. Am besten um sechs. Frühstücken können wir irgendwo unterwegs!»
    Er fasst mich bei den Schultern, schaut mich an, ernster als sonst.
    «Ich freu mich!»
    Dann ist er weg. Nur der Duft seines Parfüms verrät mir, dass er wirklich da gewesen ist.
    Mein Stimmungstief ist verschwunden. Von einer Sekunde zur nächsten bin ich wieder ganz oben. Mehr oben als jemals zuvor.
    Ich trau mich seit langem wieder, Sting in den Recorder zu werfen. Die sanften, melancholischen Klänge werden mich heute nicht mehr umbringen. Sie tragen mich davon.
    Um zehn schließe ich den Koffer, trinke ein Glas Rotwein, damit ich jetzt sofort einschlafe, möglichst traumlos durchschlafe und erst vom Wecker um fünf wieder aufwache.
    Ich freue mich. Auf alles, was jetzt kommt.
    Ich freu mich sogar ziemlich wahnsinnig.
    Kann mir irgendwas passieren?
    Ich glaube nicht.
     
    Und doch werde ich wach. Drei Uhr nachts. Mit rasendem Herzen, schweißnass. Er war wieder da, dieser Traum. Ich falle. Tiefer, immer tiefer falle ich, und es gibt keinen Halt. Nirgends einen Halt auf diesem Flug in die Tiefe. Es gibt kein Zurück. Ich will mich festhalten, aber es gibt nichts. Weit und breit nichts, woran ich mich festhalten könnte. Ich bin nackt und ungeschützt. Und ich kann nichts tun. Gar nichts. Ich weine, lautlos, ohne Tränen. Für einen Moment wird es hell, taghell. Tief unten irgendwo. Dann schluckt die Dunkelheit das Licht. Als wäre nichts gewesen. Sie hat mir zugelächelt.
    Ich reiße mir das nasse T-Shirt vom Körper, trinke einen Schluck Wasser und geh zum Telefon. Wünsche mir, dass sie den Anrufbeantworter angestellt hat. Ich möchte niemanden wecken. Ich habe Glück. Mit klopfendem Herzen sage ich:
    «Heute ist der fünfundzwanzigste. Ich wünsche euch einen schönen Tag. Ich fahr jetzt mit einem Freund für ein paar Tage in die Schweiz, aber dann möchte ich gerne kommen.»
    Meine Stimme zittert schon. Ich breche das Gespräch ab, bevor ich zu heulen anfange.
    Dann lieg ich wieder im Bett, die Tränen lassen sich mal wieder nicht zurückschicken, ich lasse ihnen die Freiheit, die sie sich wünschen. Ich fühle mich wohl, trotz Tränen und einer Trauer, die ich nicht ganz einordnen kann. Ich bin froh, dass ich angerufen habe, aber ich bin auch froh, dass ich in drei Stunden mit Martin M. in seinem schwarzen Saab sitze.
     
    Der Wecker kräht um fünf. Ziemlich erschlagen, aber trotzdem froh. Und weil Martin M. ein pünktlicher Mensch ist, sind wir um sechs schon auf dem Weg zur Autobahn.
    «Damit ich nicht einschlafe!», sagt er und gibt seinen schwar zen Knöpfen den Befehl zur größten Lautstärke.
    «The Best of Joe Cocker» begleitet uns bis zur Grenze. Ich sitze neben ihm. Das ist genug. Mehr als genug. Ab und zu eine Pause. Dann weiter. Ab und zu seine Hand auf meinem Knie, auf meinem Oberschenkel. Weiter wandert sie nicht. Ab und zu ein Lächeln. Ich schließe die Augen und fliege davon.
    Irgendwann kommen wir an. Es ist schon dunkel. Über uns eine schmale Mondsichel und hunderttausend Sterne. Jetzt könnte die Zeit stehen bleiben. Für immer.
    Ein Dorf in der Nähe von St. Moritz. Die Wohnung eines Freundes. Der Luxus springt

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