Tuchfuehlung
mir entgegen. Im Wohnzimmer ein Kamin. Zwei Schlafzimmer, zwei Bäder ...
Eins für ihn, eins für mich. Ich nehme das alles nur wie durch Wattewolken wahr. Ich fühle mich wohl. Einfach nur wohl. Aber auch aufgedreht, lebendig und irgendwie erwartungsvoll.
Ich schalte meinen Kopf aus und lasse mich fallen. Irgend wo ein Essen, das Restaurant nobel, die Gäste abgehoben. Martin M. ist hier kein Unbekannter. Männer. Erstaunlich viele Männer, diese ganz besonderen Männer. Mittelalter, etab liert, kultiviert, gepflegt, nicht uninteressant. Schwul? Sie beobachten mich scheinbar unauffällig, aber ich merke es doch.
Die Nacht am Kamin. Wir sitzen davor und schauen in die Flammen.
Ich muss nicht viel reden, das macht Martin M.
Irgendwann, später, nach der ersten Flasche Rotwein sagt Zeno Zimmermann:
«Nach den Ferien gehe ich nach Amsterdam.»
Ich wundere mich über Zeno Zimmermann. Er wundert sich nicht. Er sagt bloß:
«Da besuch ich dich! Amsterdam ist einfach eine tolle Stadt!»
Irgendwann sagt er:
«Ich geh jetzt schlafen, Zeno! Bis morgen!»
Er nimmt mich in den Arm, wie einen guten Freund. Ja, wie einen besonders guten Freund. Er zieht mich an sich, hält mich für einen Moment fest, ich schließe die Augen. Nicht aufhören, bitte, denke ich, mehr, bitte mehr: Aber er geht dann doch.
«Schlaf gut, Kleiner!», sagt er. Sanft. Liebevoll.
Eine Spur zu sanft für mich ... Mich packt wieder die Sehn sucht, diese verdammte Sehnsucht... Er will mir nicht mehr geben. Warum nicht? Weil er keine Männer liebt?
Er streicht mir über den Kopf, wie einem kleinen Bruder. Das ist zu viel für mich. Das ist zu wenig für mich. Viel zu wenig.
Ich verlasse ihn. Obwohl ich nicht will. Obwohl ich was ganz anderes will...
Trotzdem.
Ich versinke im weichen Luxusbett. Riesig, viel zu riesig für mich allein ...
Ich werde wach und bin allein. Immer noch.
Der Blick aus dem Fenster entschädigt mich. Das ist mehr, als Sophias Bilderbücher bieten können.
Der Himmel tiefblau. Die Luft klar, am Horizont massive Berggipfel, greifbar nah und doch so fern, gezackt und leuch tend weiß. Puderzucker, Zuckerwatte, alles zugleich. Sie glitzern in der Sonne.
So soll es bleiben. Für die Ewigkeit soll es so bleiben. In der Sonne sitzen, die Seele baumeln lassen, an nichts denken, das Leben genießen, nur die Ruhe spüren ... Hör auf zu spin nen, Zeno Zimmermann! Mach dir nichts vor! Nichts, aber auch nichts, was dir gut tut, bleibt. Es wird vergehen! Kapier das endlich!
Schon mischt sich ein milchiges Weiß in das dunkle Blau des Himmels. Schon nähern sich dicke Wolkenberge. Nicht mehr lange, und sie werden sich vor die Sonne schieben. Ich spüre schon den kalten Wind. Nicht mehr lange, und mich wird nur noch das Kaminfeuer wärmen.
Aber das sind erst mal Visionen.
Dieser Tag beginnt wirklich freundlich.
Ich reib mir noch die Augen, da klopft es an der Tür. Er steht vor mir! Weißes T-Shirt, weiße Boxershorts, glatt rasiert und duftend. Überwältigend! So überwältigend wie dieser tiefblaue Himmel mit den schneeweißen Berggipfeln.
«Gut geschlafen?», fragt er.
«Darf ich?», sagt e r.
Ist das der Anfang?
Er wartet meine Antwort nicht ab. Er legt sich zu mir.
Das ist der Anfang ...
Ich lasse mich ein, ich lasse mich fallen, ich genieße es, kei ne Zweifel, keine Ängste ...
Es ist wie ein Traum.
Ich rase die Pisten hinunter. Gebe mich dem Rausch im weißen Schnee hin, später dann dem Rausch in den weichen, weißen Kissen ...
Die Tage fliegen dahin, die Sonne meint es gut mit uns. Sie macht die Dezemberkälte erträglich, sie begleitet uns, nein, ewig begleitet sie uns nicht. Zwischendurch zeigen sich die ersten finsteren Wolken.
Es ist, wie es ist! Ich liebe Martin M.!
Ich lasse mich tragen von diesem Gefühl. Den Kopf habe ich ausgeschaltet. Ich genieße dieses Glück.
Warum liebe ich ihn?
Weil er so ist, wie er ist.
Charmant, interessant, freundlich, lebendig ... und schön! Es könnte ewig so weitergehen!...
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zeit mit ihm irgendwann ein Ende hat.
Seine Eigenheiten stören mich nicht. Die ersten vier Tassen Kaffee trinkt er im Bett, dazu liest er drei Tageszeitungen, raucht drei Zigaretten. Vor elf steht er niemals auf. Er liebt die Geselligkeit, er steht gerne im Mittelpunkt, er ist eitel, er ist anspruchsvoll, er ist verwöhnt, das Beste ist ihm gerade gut genug. Aber er liebt auch die Stille, die Einsamkeit. Von Zeit zu Zeit zieht er sich zurück.
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