Tür ins Dunkel
kaltschnäuzig sind, dachte Laura. Diese hier scheint wirklich betroffen zu sein.
»Ich möchte Melanie wenigstens bis morgen nachmittag hier behalten«, sagte Dr. Pantangello. »Zur Beobachtung.«
»Selbstverständlich«, stimmte Laura zu. »Nach der Entlassung aus der Klinik wird sie psychiatri
sche Betreuung benötigen.« Laura nickte. »Sie beabsichtigen doch nicht, sie selbst zu behandeln?.
Laura schob die nassen Papiertücher in eine Manteltasche und sagte: »Sie würden es für empfehlenswerter halten, daß ein unbeteiligter Therapeut mit ihr arbeitet, nicht wahr?«
»Ja.«
»Nun, Dr. Pantangello, ich verstehe Ihren Standpunkt, und in den meisten Fällen würde ich Ihnen durchaus zustimmen. Aber nicht in diesem speziellen Fall.«
»Es kommt normalerweise nichts Gutes dabei heraus, wenn ein Therapeut eines seiner eigenen Kinder behandelt. Die Eltern neigen nämlich entweder dazu -verzeihen Sie, aber es ist bedauerlicherweise eine Tatsache -, ihren Kindern mehr abzuverlangen als fremden Patienten, oder aber sie sind selbst mitverantwortlich für deren Probleme.«
»Ja. Sie haben völlig recht. Aber dieser Fall ist eine Ausnahme. Mich trifft keine Schuld am Zustand meiner kleinen Tochter. Ich war in keiner Weise beteiligt an den Qualen, die ihr zugefügt wurden. Ich bin für sie gewissermaßen eine Fremde, so wie jeder andere Therapeut es wäre, aber ich kann ihr" viel mehr Zeit, Aufmerksamkeit und Hinwendung schenken. Bei jedem anderen Arzt wäre sie eine Patientin unter vielen. Bei mir wird sie aber die einzige Patientin sein. Ich werde mich im St. Mark's beurlauben lassen, und meine Privatpatienten werde ich für einige Wochen oder auch Monate an Kollegen überweisen. Ich werde keine schnellen Fortschritte von ihr erwarten, weil mir unbegrenzte Zeit zur Verfügung stehen wird. Melanie wird von mir alles bekommen, was ich als Ärztin und Therapeutin zu bieten habe, und zugleich all die Mutterliebe, die sie so lange entbehren mußte.« Pantangello sah offenbar ein, daß weitere Warnungen oder gute Ratschläge nichts bewirken würden. Er verabschiedete sich mit den Worten: »Nun... ich wünsche Ihnen viel Erfolg.«
»Danke.«
Laura blieb mit Haldane im stillen, nach Desinfektionsmitteln riechenden Korridor stehen. »Es ist eine schwierige Aufgabe«, sagte der Detektiv.
»Ich werde sie bewältigen«, erwiderte Laura.
»Dessen bin ich mir sicher.«
»Melanie wird wieder gesund werden.«
»Ich hoffe es sehr.«
Im Schwesternzimmer am Ende des Korridors klingelte gedämpft ein Telefon.
»Ich habe einen uniformierten Polizisten angefordert«, sagte Haldane. »Für den Fall, daß Melanie die Morde mitangesehen hat, hielt ich es für angebracht eine Wache zu postieren. Zumindest bis zum Nachmittag.« »Danke.« Sie wollen doch nicht etwa hierbleiben, oder?«
»Doch.«
»Nicht lange, hoffe ich.«
»Einige Stunden.«
Sie brauchen etwas Ruhe, Dr. McCaffrey.«
»Melanie braucht mich jetzt mehr. Und ich könnte ohnehin nicht schlafen.«
Aber müssen Sie nicht einiges vorbereiten, wenn Sie sie am Nachmittag nach Hause mitnehmen wollen?« Laura blinzelte. »Oh, daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Ich muß ja ein Zimmer für sie herrichten und ihr etwas zum Anziehen kaufen.« »Gehen Sie lieber nach Hause«, riet er ihr freundlich. "Das tu ich... bald«, stimmte sie zu. »Aber nicht zum Schlafen -ich kann jetzt nicht schlafen; nur um alles für Melanie vorzubereiten.« Er sagte zögernd: »Ich bringe es nur sehr ungern zuz Sprache, aber ich hätte gern Blutproben von Ihnen und Melanie.«
»Wozu?« fragte sie erstaunt. »Nun ja... anhand von Blutproben von Ihnen, Ihrem Mann und dem Mädchen können wir feststellen, ob es sich tatsächlich um Ihre Tochter handelt.«
»Das ist nicht notwendig.«
»Es ist die einfachste Methode...«
»Ich sage Ihnen doch, es ist nicht notwendig!« fiel sie ihm zornig ins Wort. »Es ist Melanie. Es ist meine kleine Tochter. Ich weiß es.«
»Ich weiß«, beruhigte er sie teilnahmsvoll. »Ich verstehe Sie, und ich bin sicher, daß es sich um Ihre Tochter handelt. Aber nachdem Sie sie sechs Jahre nicht gesehen haben, sechs Jahre, in denen sie sich sehr verändert hat, und nachdem sie selbst nicht spricht, werden wir Beweise für ihre Identität benötigen; andernfalls wird das Jugendgericht sie unter staatliche Vormundschaft stellen. Und das wollen Sie doch bestimmt nicht?«
»Um Gottes willen, nein.«
»Dr. Pantangello sagte mir, sie hätten bereits eine
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