Tür ins Dunkel
hinter den Ohren gekrault zu werden. Die Katze schien zu spüren, daß sie ihre privilegierte Stellung im Haushalt bald verlieren würde. Vier Jahre lang war Pepper für sie eine Art Kind-Ersatz gewesen. In gewisser Weise hatte auch das Haus diese Funktion ausgeübt; weil sie ihre kleine Tochter nicht mehr hegen und pflegen konnte, hatte sie viel Zeit und Energie darauf verwandt, ihr Heim zu verschönern. Als Dylan sich vor sechs Jahren mit dem ganzen Geld abgesetzt hatte, war es Laura sehr schwergefallen, das Haus zu halten. Sie hatte genau rechnen und eisern sparen müssen. Es war kein Luxusbau, aber ein geräumiges Haus im spanischen Stil mit vier Schlafzimmern in Sherman Oaks, auf der >richtigen< Seite des Ventura Boulevard, in einer Straße, wo sich einige Hausbesitzer einen Swimmingpool und ziemlich viele eine Sauna leisten konnten, wo die Kinder häufig Privatschulen besuchten und die Hunde keine Mischlinge waren, sondern reinrassige deutsche Schäferhunde, Spaniels, Airedales, Dalmatiner und Pudel. Lauras Haus stand auf einem großen Grundstück, blickgeschützt durch Korallenbäume, rote und purpurfarbene Hibiskusbüsche und rote Azaleen; am Zaun rankte sich Bougainvillea empor, und entlang des mit Platten ausgelegten Weges zum Vordereingang war Rührmichnichtan angepflanzt.
Laura war stolz auf ihr Heim. Vor drei Jahren, als sie endlich aufgehört hatte, Dylan und Melanie von Privatdetektiven suchen zu lassen, hatte sie damit begonnen, das Haus zu verschönern: Fußleisten und Türrahmen aus dunkel gebeizter Eiche; getäfelte Decken; neue dunkelblaue Fliesen im Bad, muschelförmige Waschbecken und vergoldete Armaturen. Hinter dem Haus hatte sie Dylans japanischen Garten beseitigt, weil er sie allzu sehr an ihren Mann erinnerte, und statt dessen zwanzig verschiedene Rosenarten gepflanzt. Das Haus hatte sozusagen den Platz der ihr geraubten Tochter eingenommen; ihre Bemühungen, es in besten Zustand zu bringen, glichen fast jenen einer Mutter, die um die Gesundheit ihres Kindes besorgt ist.
Von nun an würde sie ihre Mutterinstinkte nicht mehr sublimieren müssen. Ihr kleines Mädchen kehrte nach Hause zurück! Pepper miaute. Laura nahm das Tier auf den Arm und erklärte ihm: »Für eine kleine Miezekatze wie dich wird immer noch mehr als genug Liebe abfallen. Mach dir darüber keine Sorgen, du alter Mäusejäger.« Das Telefon klingelte. Sie setzte die Katze ab, ging über den Flur in ihr Schlafzimmer und nahm den Hörer ab. »Hallo?« Niemand meldete sich. Der Anrufer legte gleich wieder auf. Laura starrte den Apparat mit einem unguten Gefühl an. Natürlich war es möglich, daß jemand sich nur verwählt hatte. Aber es war doch etwas unheimlich, ausgerechnet in dieser ungewöhnlichen Nacht, da Dylan ermordet und Melanie gefunden worden war, einen geheimnisvollen Anruf zu erhalten.
Sie kontrollierte, ob die Haustüren verschlossen waren. Diese Maßnahme erschien ihr zwar unzureichend, aber sie wußte nicht, was sie sonst unternehmen könnte. Obwohl sie sich noch immer unbehaglich fühlte, ging sie schließlich in den leeren Raum, der einst das Kinderzimmer gewesen war, und versuchte, nicht mehr an den Anruf zu denken.
Vor zwei Jahren hatte sie Melanies Kindermöbel verschenkt, weil sie nicht länger die Augen vor der Tatsache verschließen konnte, daß ihre vermißte Tochter für diese Sachen inzwischen auf jeden Fall zu groß wäre. Sie hatte sich einzureden versucht, daß sie das Zimmer nicht neu einrichtete, um Melanie nach ihrer Rückkehr nach Hause ein Mitspracherecht bei der Gestaltung einräumen zu können; aber in Wirklichkeit hatte sie das Zimmer leerstehen lassen, weil sie -obwohl sie es sich nie eingestehen wollte - tief im Innern das Gefühl gehabt hatte, daß Melanie niemals in dieses Haus zurückkehren würde, daß das Kind für immer aus ihrem Leben entschwunden war.
Trotzdem hatte sie einiges Spielzeug ihrer Tochter aufbewahrt. Sie holte den Karton aus dem Schrank und stöberte darin. Dreijährige und Neunjährige haben nicht viel gemeinsam, aber Laura fand zwei Sachen, die Melanie auch jetzt noch gefallen müßten: eine große, leicht angeschmutzte Stoffpuppe und einen etwas kleineren Teddybär mit flauschigen Ohren.
Sie trug Bär und Puppe ins Gästezimmer und setzte sie auf die Kopfkissen, damit Melanie sie sehen konnte, sobald sie das Zimmer betrat.
Pepper sprang aufs Bett und schlich sich neugierig und etwas ängstlich an die unbekannten Dinge heran. Sie beschnupperte die Puppe,
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