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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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häßlicher Mann, und das wußte er. Im hellen Tageslicht hatte er das Gefühl, von allen Leuten höhnische Blicke zu ernten; er glaubte, daß seine Häßlichkeit in der Nacht weniger auffiel, daß sie durch die Dunkelheit irgendwie gemildert wurde. Seine viel zu niedrige und fliehende Stirn erweckte den Eindruck, er wäre beschränkt, obwohl er in Wirklichkeit alles andere als dumm war. Seine Augen waren klein und lagen zu dicht neben der riesigen Nase. Sein ganzes Gesicht wirkte grob. Er war ziemlich klein, nur 1,63 m, mit breiten Schultern, langen Armen und einem enormen Brustkorb. Als Junge war er von anderen Kindern grausam gehänselt und >Affe< genannt worden. Ihr Spott hatte ihn so geärgert und gekränkt, daß er mit dreizehn Jahren ein Magengeschwür bekam. Solche dummen Bemerkungen ließ sich Ned Rink nun schon seit langem nicht mehr gefallen; wenn ihm jetzt jemand dumm kam, brachte er den Kerl einfach um. Das war eine großartige Methode, um Frustrationen abzureagieren.
    Er griff nach dem schwarzen Diplomatenkoffer auf dem Beifahrersitz. Darin befanden sich ein weißer Arztkittel, er- weißes Klinikhandtuch, ein Stethoskop und eine halb-automatische 45er Walther mit Schalldämpfer, geladen mit teflonbeschichteten Patronen, die sogar kugelsichere Westen durchschlagen konnten. Er brauchte den Koffer nicht zu öffnen, um sich zu vergewissern, daß alles vorhanden war; er hatte ihn vor weniger als einer Stunde eigenhändig gepackt. 
    Er hatte die Absicht, die Klinik zu betreten, sich direkt in die Toilette in der Empfangshalle zu begeben, seinen Regenmantel auszuziehen, in den weißen Arztkittel zu schlüpfen, die Pistole im Handtuch zu verstecken und geradewegs zu Zimmer 256 zu eilen, wohin das Mädchen gebracht worden war. Man hatte ihn gewarnt, daß ein Polizist dort Wache stehen würde. Das war für Rink kein großes Hindernis. Er würde sich als Arzt ausgeben, den Bullen unter irgendeinem Vorwand ins Zimmer des Mädchens locken und zuerst ihn und sodann das Mädchen erschießen. Danach würde er beiden den Gnadenschuß ins Ohr geben, um ganz sicherzugehen, daß sie tot waren. Nach getaner Arbeit würde er auf schnellstem Wege seinen Regenmantel und den Diplomatenkoffer aus der Toilette holen und verschwinden. Es war ein klarer, unkomplizierter Plan, bei dem so gut wie nichts schiefgehen konnte.
    Ned Rink ließ seine Blicke aufmerksam über den Parkplatz schweifen, um sich zu vergewissern, daß er nicht beobachtet wurde.
    Obwohl der Sturm vorüber war und es vor einer halben Stunde aufgehört hatte zu regnen, verwischte leichter Nebel alle Konturen. Überall standen Pfützen, in denen das gelbe Licht der Natriumdampflampen reflektiert wurde.
    Die Nacht war vollkommen still.
    Rink registrierte, daß kein Mensch in der Nähe war.
    Im Osten bekam der grauschwarze Himmel einen rötlich-blauen Schimmer. Der erste schwache Vorbote des nahen strahlenden Tages. In einer Stunde würde die ruhige Nachtroutine im Krankenhaus einer hektischen Betriebsamkeit Platz machen. Es wurde allmählich Zeit, den Auftrag zu erledigen.
    Er freute sich darauf. Er hatte noch nie ein Kind getötet. Es dürfte eine interessante Erfahrung werden.

9
    Das Mädchen war allein im Zimmer. Es fuhr plötzlich aus dem Schlaf, setzte sich im Bett auf, versuchte zu schreien. Sein Mund war weit aufgerissen, die Nackenmuskeln angespannt, und die Adern am Hals und an den Schläfen schwollen an und pochten vor Anstrengung, doch es kam kein Laut aus seiner Kehle. Die Kleine saß eine halbe Minute so da, ihre Hände um das schweißgetränkte Laken gekrampft, mit schreckensweit geöffneten Augen. Sie reagierte nicht auf irgendwelche Geräusche oder Vorgänge im Zimmer. Das Grauen lag jenseits dieser Wände. Dann klärte sich ihr Blick langsam, und sie war nicht mehr blind für ihre Umgebung. Sie nahm zum erstenmal das Krankenhauszimmer wahr, und erst jetzt erfaßte sie, daß sie allein war. Ihr betroffenes Gesicht verriet deutlich, daß sie sich verzweifelt nach Gesellschaft sehnte, nach menschlichem Kontakt, nach Trost, nach Wärme und Halt. 
    »Hallo?« flüsterte sie. »Jemand? Jemand? Jemand? Mami»?«
    Wenn jemand bei ihr gewesen wäre, hätte ihre Aufmerksamkeit sich vielleicht auf diesen Menschen konzentriert und sie von dem Grauen abgelenkt, das jenseits dieses Raumes lag. Allein konnte sie die alptraumhafte Vision, die sie hartnäckig verfolgte, jedoch nicht abschütteln, und nach diesem kurzen Moment der Klarheit wurden ihre Augen glasig,

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