Tür ins Dunkel
»Ja...«
»Er scheint ja ein richtiges Schätzchen gewesen zu sein«, sagte Dan, aber sie verstand seine Ironie nicht, und er begriff, daß er sie stärker provozieren mußte, um ihre hündische Unterwürfigkeit zu durchbrechen. »Der Kerl war ja ein völlig größenwahnsinniger Egoist.« Sie hob ruckartig den Kopf und blickte Dan endlich ins Gesicht. »O nein«, protestierte sie stirnrunzelnd, aber weder zornig noch ungeduldig, nur bestrebt, den toten Mann gegen jede Verunglimpfung zu verteidigen. »O nein. Nicht Willy! Keiner war so wie er. Er war wunderbar. Ich hätte für Willy alles getan. Es gab nichts, was ich für ihn nicht getan hätte. Er war einmalig. Wenn Sie ihn gekannt hätten, würden Sie kein Wort gegen ihn sagen. Nicht gegen Willy!«
»Es gibt Leute, die ihn kannten und trotzdem keine hohe Meinung von ihm hatten. Das wissen Sie doch bestimmt.« Sie blickte wieder auf ihre Hände hinab. »All diese Leute sind nur neidisch und eifersüchtig, und sie verbreiten gemeine Lügen«, entgegnete sie, aber mit jener leisen, weichen, sanften Stimme, so als hätte man ihr streng verboten, ihre feminine Ausstrahlung durch schrille Töne oder sonstige Anzeichen von Zorn zu beeinträchtigen. »Er wurde aus der Universität geworfen.« Regine schwieg. »Wegen dem, was er Ihnen angetan hat.« Sie schwieg noch immer, mied seinen Blick, rückte wieder nervös auf dem Sofa hin und her. Ihr Kleid verschob sich ein wenig, und der Schlitz im Rock enthüllte eine schlanke, perfekt geformte Wade. Ein blauer Fleck von der Größe einer Dollarmünze verunzierte die helle Haut. Am Knöchel waren zwei kleinere Prellungen zu erkennen. 'Sie sollen mir von Willy erzählen«, sagte Dan. »Das werde ich nicht.»
»Was hat er zusammen mit Dylan McCaffrey in Studio City getrieben?«
»Ich werde nie ein Wort gegen Willy sagen. Es ist mir egal, was Sie mit mir machen. Sie können mich ins Gefängnis werfen, wenn Sie wollen. Das ist mir egal, völlig egal.« Ihre leise Stimme ließ jetzt zum erstenmal eine hef tige Gemütsbewegung erkennen. »Es wurde schon viel zuviel Schlechtes über Willy gesagt, von Leuten, die es nicht wert waren, ihm auch nur die Füße zu küssen.«
»Schauen Sie mich an. Regine«, forderte Dan sie auf. Sie hob eine Hand zum Mund und begann an einem Figerknöchel zu kauen. »Regine? Schauen Sie mich an. Regine!« Sie hob den Kopf, blickte ihm aber nicht in die Augen, sondern starrte an ihm vorbei.
»Regine, er hat Sie krankenhausreif geschlagen.« "Ich habe ihn geliebt«, murmelte sie, noch immer an ihrem Knöchel kauend. »Er hat Sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Regine. Irgendwie ist es ihm gelungen. Ihre Persönlichkeit zu verändern, Ihren Willen zu brechen -und das ist ganz gewiß nicht das Werk eines wunderbaren Menschen.« Tränen traten ihr in die Augen, rollten über ihre Wangen. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. »Ich habe ihn so sehr geliebt.« Ihr Ärmel war hochgeglitten, als sie die Hand zum Mund führte. Dan sah einen kleinen blauen Fleck an ihrem Unterarm und - was noch schlimmer war Hautabschürfungen an ihrem Handgelenk. Sie hatte ihm erzählt, daß sie Willy Hoffritz seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, aber jemand mußte sie vor ganz kurzer Zeit mit einem Strick gefesselt haben.
Dan betrachtete die gerahmten Fotos auf dem Tisch, das dünne Lächeln auf dem Gesicht des toten Psychologen, und er verspürte plötzlich ein so starkes Bedürfnis nach frischer Luft, daß er am liebsten zur Tür gestürzt wäre.
Er beherrschte sich nur mühsam. »Wie konnten Sie einen Mann lieben, der Ihnen Schmerzen zufügte, der Sie verletzte?«
»Er machte mich frei... Er zeigte mir mein wahres Ich.«
»Und worin besteht Ihr wahres Ich?«
»Ich sollte sein, was ich jetzt bin.«
»Und was ist das?«
»Ich soll sein, was auch immer von mir verlangt wird.« Sie weinte nicht mehr. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, während sie wiederholte: »Was auch immer von mir verlangt wird.« Und sie erschauderte dabei, so als verursache ihr allein schon der Gedanke an Sklaverei und Demütigung physische Lustgefühle. Dan konnte seine Empörung und seinen Zorn kaum mehr zurückhalten. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie dazu geboren sind, nur um das zu sein, was Willy Hoffritz wollte, nur um alles zu tun, was er von Ihnen verlangte?«
»Was auch immer von mir verlangt wird«, bestätigte sie, und jetzt blickte sie ihm in die Augen. Er wünschte, sie hätte weiterhin an ihm vorbeigestarrt, denn in ihren
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