Tür ins Dunkel
sie dann behandelt haben, als sie seine Ehefrau war? Der Gedanke verursachte Dan eine Gänsehaut. Earl Benton hielt seine Pistole in der Hand, aber was da aus der Dunkelheit in die Küche kam, konnte er nicht mit gezielten Schüssen zur Strecke bringen. Die Tür flog krachend gegen die Wand, und ein kalter Wirbelwind drang ein, ein Wind, der wie ein lebendiges Wesen heulte und knurrte, schnaubte und tobte. Und das Fell dieses Wind-Tieres bestand aus Blumen, denn gelbe, rote und weiße Rosen, langstielige Rührmichnichtan und andere Blüten aus dem Garten flogen durch die Luft, teilweise abgebrochen, teilweise mit den Wurzeln herausgerissen. Das Wind-Tier schüttelte sich, und aus seinem Blumenfell flogen -losen Haaren gleich -einzelne Blütenblätter, Stengel und Klumpen feuchter Erde. Der Kalender wurde von der Wand gerissen und schwebte auf Papierflügeln durch die halbe Küche, bevor er zu Boden fiel. Die Vorhänge an den Fenstern flogen in die Höhe und zerrten an den Stangen, so als wollten sie sich dem dämonischen Tanz unbelebter Gegenstände anschließen. Erde rieselte auf Earl herab, und eine Rose prallte gegen sein Gesicht; ihr Dorn ritzte seinen Hals, und er hob unwillkürlich einen Arm, um sich zu schützen. Er sah, daß Laura ihre Tochter beschirmte, und er kam sich hilflos und albern vor.
Die Tür wurde abrupt zugeschmettert. Doch die Blumen wirbelten weiter im Raum umher, angetrieben vo n einem Wind, der unabhängig von dem starken Wind im Freien zu existieren vermochte. Obwohl das an und für sich unmöglich war. Verrückt. Undenkbar. Aber trotzdem real. Der Blumenwirbel heulte und zischte, schleuderte Blütenblätter, Stengel und Erde von sich. Und dann war der Spuk schlagartig vorüber. Kein Lüftchen regte sich mehr. Die Blumen fielen mit leisem Rascheln und Knnistern auf die Küchenfliesen. Dann trat Stille ein.
Dan ließ sich Regine Hoffritz' Adresse von der Datenbank der Telefongesellschaft bestätigen. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr. Es war 21.32 Uhr. Er hatte etwa zehn Minuten am Computer gearbeitet. In den schlechten alten Zeiten, als die Polizeifahrzeuge noch nicht ans Computer-netz angeschlossen gewesen waren, hätte er zwei Stunden damit vergeudet, die Informationen über Regine zu gekommen. Er schaltete das Gerät aus, und im Wagen machte sich Dunkelheit breit.
Während er seinen zweiten Cheeseburger aß und von seinem Bier nippte, dachte er über die sich rasend schnell verändernde Welt nach. Eine neue Welt, eine wie Science-Fiction anmutende Gesellschaft entstand mit frappierender Geschwindigkeit um ihn herum. Es war sowohl erhebend als auch beängstigend, in dieser Zeit zu leben. Die Menschheit hatte die Fähigkeit erworben, nach den Sternen zu greifen, von der Erde abzuheben und sich im Universum auszubreiten - aber sie hatte zugleich auch die Fähigkeit erworben, die gesamte Menschheit zu vernichten, noch bevor die unvermeidliche Emigration beginnen konnte. Neue Technologien - wie der Computer - befreiten Männer und Frauen von Plackereien verschiedenster Art, ersparten ihnen viel Zeit. Und doch... Die ersparte Zeit brachte ihnen keine zusätzlichen Mußestunden, keine zusätzlichen Gelegenheiten zum Nachdenken und Zu-sich-selbst-Kommen. Mit jeder neuen Technologiewelle nahm das Lebenstempo zu; es gab immer mehr zu tun, immer mehr Entscheidungen zu treffen, immer mehr neue Erfahrungen zu machen, und die Menschen stürzten sich gierig auf diese neuen Möglichkeiten und füllten damit ihre freien Stunden. Jedes Jahr schien schneller zu verfliegen als das vorangegangene, so als würde Gott mit einem Knopfdruck den Lauf der Zeit immer mehr beschleunigen. Aber sogar die alte Vorstellung von Gott wirkte überholt und hoffnungslos fantastisch in einem Zeitalter, da das Universum seine Geheimnisse immer mehr preisgeben mußte. Wissenschaft, Technologie und Fortschritt waren jetzt die einzigen Götter, stellten sozusagen die neue Dreifaltigkeit dar; und obwohl sie nicht bewußt streng und strafend waren wie so oft die alten Götter, so waren sie doch viel zu kalt und gleichgültig, um die Kranken, Einsamen und Verlorenen trösten zu können. Wie konnte ein Laden wie Sign of the Pentagram in einer Welt von Computern, Wunderdrogen und Raumschiffen florieren? Wer mochte im Okkultismus nach Antworten suchen, wenn Physiker, Biochemiker und Genetiker tagtäglich mehr Antworten lieferten als die Ouija-Bretter, Seancen und Spiritisten aller Zeiten? Warum gaben sich Wissenschaftler wie
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