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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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Er handelt von fünf Gefangenen, die für eine Woche Hafturlaub erhalten, und fokussiert gleichzeitig die Geschichte der türkischen Gesellschaft Ende der 1970 er Jahre. Die Schicksale der fünf Häftlinge bündeln die Probleme des Landes so eindrucksvoll, dass man sich zum damaligen Zeitpunkt viele Bücher und Analysen sparen konnte, wenn man stattdessen den Film anschaute. Völlig zu Recht erhielt »Yol« 1982 in Cannes die Goldene Palme. Dazu beigetragen haben mögen aber auch die Entstehungsgeschichte des Films, die dramatische Flucht des Regisseurs Yilmaz Güney aus dem Gefängnis und die damalige politische Situation der Türkei nach dem Militärputsch 1980 . Yilmaz Güney schrieb das Drehbuch zu »Yol« im Gefängnis anhand der Geschichten, die ihm Mitgefangene erzählten. Gedreht wurde der Film dann von seinem früheren Regieassistenten Serif Gören, der die Geschichte nach Güneys Anweisungen heimlich vor Ort drehte. Wieder in Freiheit konnte Güney dann das von Serif Gören produzierte Material selbst schneiden und den Film zusammenstellen.
    Nach seiner Flucht über Griechenland nach Frankreich drehte Yilmaz Güney in Paris nur noch einen, ziemlich düsteren Film über die politischen Gefangenen der Türkei nach dem Putsch (»Die Mauer«), bevor er mit nur 47 Jahren an Krebs starb. Trotzdem hat Yilmaz Güney mit der Handvoll Filmen, die er in seinem Leben realisieren konnte, das türkische Kino revolutioniert. Statt der Herz-Schmerz-Geschichten des türkischen Hollywood Yesilcam, in denen er als Schauspieler viele Male selbst auftrat, entwickelte er ein realistisches, politisches Autorenkino. Yilmaz Güney war Kurde, aber das spielte damals noch kaum eine Rolle. Er definierte sich nicht über seine ethnische Zugehörigkeit, sondern über seinen politischen Standpunkt als Kommunist. Weil er als Schauspieler so beliebt war – in der Boulevardpresse firmiert er bis heute als der »hässliche König« –, konnte er es wagen, politische Filme zu drehen, für die andere damals gleich in den Knast gegangen wären. Trotzdem erwischte es nach nur wenigen Jahren produktiver Arbeit auch ihn. Nachdem er so bahnbrechende Filme wie »Sürü« (Die Herde) oder »Umut« (Die Hoffnung) und »Düsman« (Der Feind) produziert hatte, alles sozialkritische und gleichzeitig spannende Filme von hoher Qualität, wurde er 1974 ins Gefängnis gesteckt.
    Er soll im Streit in einem Restaurant einen Richter erschossen haben – doch schon damals gingen die meisten Beobachter davon aus, dass ihm ein inszenierter Mord in die Schuhe geschoben wurde, um den exponierten linken Filmemacher und Schauspieler aus dem Verkehr zu ziehen.
    Der Einfluss von Yilmaz Güney war jedoch nicht damit zu stoppen, dass man ihn ins Gefängnis warf. Etliche Filmemacher, wie Erdal Kiral oder Zülfü Livaneli, wurden von ihm inspiriert. Sie entwickelten den politischen Autorenfilm in den 1980 er Jahren weiter, wenn auch zunächst meistens im Exil. Erdal Kiral war nach dem Militärputsch nach Deutschland geflohen. Dort drehte er nach der Romanvorlage »Ein Winter in Hakkari« von Ferid Edgü den Film »Eine Saison in Hakkari«. Dieser Film über einen Lehrer, der für ein Schuljahr in ein abgelegenes kurdisches Dorf strafversetzt wird, ist ein eindringliches Porträt über den Alltag unter nahezu analphabetischen Kurden, wie er bis dahin im türkischen Kino nicht zu sehen war. Einen weiteren Film über einen in die Verbannung geschickten Intellektuellen drehte Erdal Kiral dann in Bodrum, der westlichsten Ecke des Landes. Er handelt von dem Schriftsteller Cevat Sahir, der 1925 wegen eines kritischen Artikels für einige Zeit nach Bodrum verbannt wurde. Das heute mondänste türkische Urlaubsparadies war damals noch ein völlig entlegenes Fischerdorf, fernab allen politischen Betriebs. Cevat Sahir empfand jedoch schon bald seine Verbannung nicht mehr als Strafe, sondern als Segen, und begann, über die Ägäis, die dort lebenden Menschen, ihre Kultur und ihre Geschichte zu schreiben. Sahir unternahm mit den Fischern von Bodrum Bootsreisen die Küste entlang und schrieb darüber. Diese von ihm literarisch verarbeiteten »Blauen Reisen« sind der historische Ursprung für die heute von etlichen Reiseveranstaltern angebotenen »Blauen Reisen« auf einer der traditionellen Holzyachten aus Bodrum.
    Zülfü Livaneli drehte ebenfalls in den Jahren, als er nach dem Putsch vorübergehend in Deutschland lebte, gemeinsam mit Wim Wenders »Eisenerde Kupferhimmel«, die

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